Prof. Dr. Aletta Bonn.

Konjunkturpakete für Arten- und Klimaschutz

Was wurde während der Coronakrise eigentlich aus der Biodiversitäts- und Klimadebatte? Das fragt Prof. Dr. Aletta Bonn in ihrem Kommentar. Die Biologin mahnt, Politik und Gesellschaft müssen – trotz anhaltender Pandemie – mehr für Schutz und Erhalt der biologischen Vielfalt tun, um menschliche Gesundheit langfristig zu sichern.
Prof. Dr. Aletta Bonn.
Foto: Bernhardt/iDiv

Ein Kommentar von Aletta Bonn

Das vergangene Jahr war aufregend und herausfordernd! Wir alle muss­ten uns mit der neuen Situation einer Pandemie auseinandersetzen, unseren Arbeitsstil anpassen und neue Wege fin­den, um zusammen zu arbeiten, zu leh­ren und unsere Arbeit zu organisieren. Gleichzeitig standen einige von uns vor herausfordernden persönlichen Situati­onen, sowohl in der Unterstützung von Studierenden, im eigenen Team als auch mit dem familiären Homeschooling-Ba­lanceakt. Dabei haben wir viele kreati­ve Lösungen gefunden und auch eine erneuerte Aufmerksamkeit für das, was bei der Arbeit in Teams wirklich zählt.

Mehr Aufmerksamkeit hat die Coro­na-Pandemie auch der biologischen Vielfalt verschafft und ihrer Bedeutung für die menschliche Gesundheit. Zoo­notische Erkrankungen wie COVID-19 hängen unter anderem mit der Zerstö­rung von Lebensräumen zusammen. Die schwerwiegenden Folgen einer nicht nachhaltigen Bewirtschaftung un­serer natürlichen Ressourcen verdeut­lichen unsere Verantwortung für den Erhalt der biologischen Vielfalt, sowohl in Europa als auch in anderen Erdteilen – in Schutzgebieten aber auch Agrar­landschaften. Hier steuern wir mit der jetzigen Agrarpolitik und dem verwäs­serten Insektenschutzgesetz in die fal­sche Richtung.

Auch wenn nachvollziehbar ist, dass die konkrete und dringliche Corona-Situ­ation unseren Fokus stark auf das Hier und Jetzt richtet, dürfen wir den dras­tischen, scheinbar schleichenden Klima-und Biodiversitätswandel nicht aus den Augen verlieren! Dieser hat wesentlich gravierendere Auswirkungen als die jetzige Pandemie. So haben wir in den zurückliegenden 60 Jahren in Deutsch­land einen dramatischen Rückgang von Pflanzenarten zu verzeichnen. Mehr als zwei Drittel von über 2 000 untersuch­ten Arten sind betroffen.

Aktion statt bloß guter Absicht

Das heißt für uns, wir müssen dringend weg von guten Absichten, hin zu kon­kreter Aktion und Umsetzung kommen: In diesem Jahr stehen wichtige Entschei­dungen beim UN-Naturschutzgipfel an und der Europäische »Green Deal« muss umgesetzt werden.

Die Biodiversitäts- und Klimakrise sind Zwillingskrisen und sollten im Verbund mit Gesundheitsschutz angegangen werden. Die Corona-Konjunkturpakete müssen nun sinnvoll mit nachhaltigem Biodiversitäts- und Klimaschutz ver­bunden werden, um menschliche Ge­sundheit und Wohlergehen langfristig zu sichern. Bei alledem hat uns die Corona-Pande­mie auch Gelegenheit geboten, über un­seren eigenen Arbeitsstil nachzudenken. 2020 haben wir als Forschende in jedem Fall unseren CO2-Fußabdruck reduziert. Wir haben interaktive Kommunikati­onswege gefunden, Workshops und Konferenzen aus der Ferne organisiert und besucht. Auch unsere iDiv-Konfe­renz »Biodiversity Post 2020« fand on­line statt. Einen klimafreundlichen For­schungsstil sollten wir unbedingt auch nach der Pandemie beibehalten.

Und nicht zuletzt hat die Lockdown-Si­tuation die Wertschätzung der lokalen Artenvielfalt für unser Wohlbefinden bei vielen Menschen deutlich erhöht. Je­denfalls sind die städtischen Parks und Grünflächen gut besucht. Dass städti­sches Grün ein wichtiger Faktor für die Gesundheit ist, konnten wir kürzlich in einer Studie belegen: Je mehr Stra­ßenbäume im direkten Wohnumfeld, desto weniger Antidepressiva wurden verschrieben, vor allem für Menschen aus schwächeren sozio-ökonomischen Verhältnissen. Gleichzeitig können Bäu­me wichtige Klimaleistungen durch CO2-Bindung und Kühlung erbringen. Unsere Politik und Planung sollte daher Investitionen in Biodiversität in urba­nen Räumen als auch fernen Gebieten als naturbasierte Lösungen zu Gesund­heits- und Klimaschutz aktiv ausbauen.

Zur Person

Prof. Dr. Aletta Bonn ist Professorin für Ökosystemleistungen der Friedrich-Schiller-Universität Jena und leitet am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) das Department Ökosystemleistungen im Rahmen des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv).

Kontakt:

Aletta Bonn, Univ.-Prof. Dr.
Leiterin der AG Ökosystemare Dienstleistungen
vCard
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig, Raum B.02.24
Puschstraße 4
04103 Leipzig Google Maps – LageplanExterner Link