Ein Kommentar von Aletta Bonn
Das vergangene Jahr war aufregend und herausfordernd! Wir alle mussten uns mit der neuen Situation einer Pandemie auseinandersetzen, unseren Arbeitsstil anpassen und neue Wege finden, um zusammen zu arbeiten, zu lehren und unsere Arbeit zu organisieren. Gleichzeitig standen einige von uns vor herausfordernden persönlichen Situationen, sowohl in der Unterstützung von Studierenden, im eigenen Team als auch mit dem familiären Homeschooling-Balanceakt. Dabei haben wir viele kreative Lösungen gefunden und auch eine erneuerte Aufmerksamkeit für das, was bei der Arbeit in Teams wirklich zählt.
Mehr Aufmerksamkeit hat die Corona-Pandemie auch der biologischen Vielfalt verschafft und ihrer Bedeutung für die menschliche Gesundheit. Zoonotische Erkrankungen wie COVID-19 hängen unter anderem mit der Zerstörung von Lebensräumen zusammen. Die schwerwiegenden Folgen einer nicht nachhaltigen Bewirtschaftung unserer natürlichen Ressourcen verdeutlichen unsere Verantwortung für den Erhalt der biologischen Vielfalt, sowohl in Europa als auch in anderen Erdteilen – in Schutzgebieten aber auch Agrarlandschaften. Hier steuern wir mit der jetzigen Agrarpolitik und dem verwässerten Insektenschutzgesetz in die falsche Richtung.
Auch wenn nachvollziehbar ist, dass die konkrete und dringliche Corona-Situation unseren Fokus stark auf das Hier und Jetzt richtet, dürfen wir den drastischen, scheinbar schleichenden Klima-und Biodiversitätswandel nicht aus den Augen verlieren! Dieser hat wesentlich gravierendere Auswirkungen als die jetzige Pandemie. So haben wir in den zurückliegenden 60 Jahren in Deutschland einen dramatischen Rückgang von Pflanzenarten zu verzeichnen. Mehr als zwei Drittel von über 2 000 untersuchten Arten sind betroffen.
Aktion statt bloß guter Absicht
Das heißt für uns, wir müssen dringend weg von guten Absichten, hin zu konkreter Aktion und Umsetzung kommen: In diesem Jahr stehen wichtige Entscheidungen beim UN-Naturschutzgipfel an und der Europäische »Green Deal« muss umgesetzt werden.
Die Biodiversitäts- und Klimakrise sind Zwillingskrisen und sollten im Verbund mit Gesundheitsschutz angegangen werden. Die Corona-Konjunkturpakete müssen nun sinnvoll mit nachhaltigem Biodiversitäts- und Klimaschutz verbunden werden, um menschliche Gesundheit und Wohlergehen langfristig zu sichern. Bei alledem hat uns die Corona-Pandemie auch Gelegenheit geboten, über unseren eigenen Arbeitsstil nachzudenken. 2020 haben wir als Forschende in jedem Fall unseren CO2-Fußabdruck reduziert. Wir haben interaktive Kommunikationswege gefunden, Workshops und Konferenzen aus der Ferne organisiert und besucht. Auch unsere iDiv-Konferenz »Biodiversity Post 2020« fand online statt. Einen klimafreundlichen Forschungsstil sollten wir unbedingt auch nach der Pandemie beibehalten.
Und nicht zuletzt hat die Lockdown-Situation die Wertschätzung der lokalen Artenvielfalt für unser Wohlbefinden bei vielen Menschen deutlich erhöht. Jedenfalls sind die städtischen Parks und Grünflächen gut besucht. Dass städtisches Grün ein wichtiger Faktor für die Gesundheit ist, konnten wir kürzlich in einer Studie belegen: Je mehr Straßenbäume im direkten Wohnumfeld, desto weniger Antidepressiva wurden verschrieben, vor allem für Menschen aus schwächeren sozio-ökonomischen Verhältnissen. Gleichzeitig können Bäume wichtige Klimaleistungen durch CO2-Bindung und Kühlung erbringen. Unsere Politik und Planung sollte daher Investitionen in Biodiversität in urbanen Räumen als auch fernen Gebieten als naturbasierte Lösungen zu Gesundheits- und Klimaschutz aktiv ausbauen.
Zur Person
Prof. Dr. Aletta Bonn ist Professorin für Ökosystemleistungen der Friedrich-Schiller-Universität Jena und leitet am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) das Department Ökosystemleistungen im Rahmen des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv).
Puschstraße 4
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