Die Materialwissenschaftlerin Dr. habil. Izabela Firkowska-Boden mit einem Fibrinogen-Protein-Modell

Nanostrukturen gegen Blutgerinnsel

Materialwissenschaftler helfen durch nanostrukturierte Materialoberflächen bei der Verbesserung von Implantaten​
Die Materialwissenschaftlerin Dr. habil. Izabela Firkowska-Boden mit einem Fibrinogen-Protein-Modell
Foto: Anne Günther (Universität Jena)

Künstliche Herzklappen und Gefäßprothesen können Leben retten. Doch stellen die Implantate auch ein Risiko für die Patienten dar: An ihren Oberflächen können sich Blutgerinnsel bilden, die zu Thrombosen führen können. Jenaer Materialforscherinnen und -forscher entwickeln deshalb jetzt thromboseresistente Oberflächen mit Nanostrukturen aus Polymerkristallen, mit denen sich die Blutgerinnung kontrollieren lässt.


Text: Axel Burchardt

Rasterkraftmikroskopische Aufnahmen von nanostrukturierten Polymeroberflächen (oben). Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von Thrombozyten auf nanostrukturierten Oberflächen (unten). Unterschiedliche Oberflächenstrukturen (links und rechts) führen zu einem unterschiedlichen Ausmaß anhaftender Thrombozyten, das aus der oberflächeninduzierten Bioaktivität des Fibrinogens resultiert.

Abbildung: Izabela Firkowska-Boden/Uni Jena

Wenn Blutgefäße stark geschädigt sind oder die Herzklappen nicht mehr rich­tig arbeiten, muss Ersatz her. Allein in Deutschland werden daher pro Jahr ca. 190 000 Gefäßprothesen und 30 000 Herzklappenersätze implantiert. Diese Lebensretter bestehen in der Regel aus Kunststoffen. Neben vielen Vorteilen haben diese Materialien einen wesent­lichen Nachteil beim Kontakt mit Blut: Sie aktivieren häufig die Gerinnung, was dazu führen kann, dass sich auf ihrer Oberfläche Blutgerinnsel bilden. Lösen sich diese von den Materialober­flächen, kann es zu lebensbedrohlichen Komplikationen, wie Thrombosen oder Embolien, kommen. Daher müssen Pa­tienten mit solchen Implantaten oft ein Leben lang Gerinnungshemmer einneh­men und leiden unter deren Nebenwir­kungen.

Hochgeordnete Muster aus Polymer­kristallen

Einen neuen Ansatz zur Lösung die­ser Probleme haben Forschende von der Universität Jena entwickelt. Dazu schuf das Team um die Physikerin und Materialwissenschaftlerin Dr. Izabela Firkowska-Boden besondere nanostruk­turierte Polymeroberflächen. »Beim Abkühlen aus der Schmelze bilden sich unter den richtigen Bedingungen feins­te hochgeordnete Oberflächenmuster aus Polymerkristallen auf diesen Ma­terialien. Diese kristallinen Strukturen sind nur wenige zehn Nanometer, also Milliardstel Meter, klein«, sagt Firkow­ska-Boden. Die Forschungsergebnisse sind in der amerikanischen Fachzeit­schrift »Langmuir« veröffentlicht wor­den.

Fibrinogen richtet sich entlang der Muster aus

Der Clou dabei: Diese geordneten Mus­ter sind etwa genau so klein wie das Eiweißmolekül Fibrinogen, das ein wichtiger Faktor bei der Blutgerinnung ist. Durch diese Größenübereinstim­mung und physikalische Kräfte richtet sich das Fibrinogen entlang der Muster aus. Werden Blutplättchen, sogenannte Thrombozyten, die ebenfalls wichtig bei der Blutgerinnung sind, mit den mit Fi­brinogen behandelten Polymermustern in Kontakt gebracht, verändern sich diese. »Die Änderungen der Blutplätt­chen sind stark von der Struktur der Po­lymermuster abhängig und lassen sich durch diese beeinflussen«, erklärt die Jenaer Wissenschaftlerin. Während die Blutplättchen sich auf einem Polymer­muster stark verändern und ihr Poten­zial für die Blutgerinnung steigern, re­agieren diese Blutplättchen auf anderen Polymermustern kaum, wie das Team herausfand.

Neues Design thromboresistenter Oberflächen von Biomaterialien

»Aus biomedizinischer Sicht zeigt un­sere Arbeit, dass die Material-Ober­flächenstrukturierung in einem na­noskaligen Größenbereich einen Feinabstimmungsmechanismus zur Manipulation der Fibrinogen-Bioak­tivität und Blutplättchenaktivierung bieten kann, der vielversprechend für das Design neuer thromboresistenter Oberflächen von Biomaterialien ist«, so Dr. Firkowska-Boden. Damit wäre ein wichtiger Schritt getan, Implantatmate­rialien aus Polymeren in Zukunft weni­ger anfällig für die Bildung von Blutge­rinnseln zu machen.

Information

Original-Publikation:

How Nanotopography-Induced Conformati­onal Changes of Fibrinogen Affect Platelet Adhesion and Activation, Langmuir (2020), DOI: 10.1021/acs.langmuir.0c02094Externer Link