Eipilze, auch Oomyceten genannt, sind Erreger gefährlicher Krankheiten für Pflanzen und Tiere. Auch Algen werden von ihnen befallen und meistens überleben sie diese Infektion nicht. Wie die Pilze die Algen jedoch genau zur Strecke bringen, war bislang wenig untersucht. Einem Forschungsteam aus Jena und Frankfurt/M. ist es jetzt gelungen, den biochemischen Überfall des Pilzes aufzuklären.
Wenn sich das Meer plötzlich blutrot färbt oder in grellen Grün- oder Türkistönen leuchtet, sind meistens Algen die Ursache. Immer wieder kann es in Ozeanen zu einer Massenvermehrung von Algen kommen. Die Algenblüte lockt andere Organismen an, die wiederum das Algenwachstum stoppen - manchmal sogar das Ende der gesamten Algenpopulation herbeiführen. Wie das im Einzelnen passiert, war bislang ungeklärt.
Pilz greift in den Stoffwechsel der Algen ein und programmiert ihn um
Forscherinnen und Forscher des Jenaer Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie, der Friedrich-Schiller-Universität und der Goethe-Universität Frankfurt/M. sind deshalb in einer gemeinsamen Studie den zugrundeliegenden Mechanismen des Absterbens der Algen nachgegangen. Sie konnten zeigen, dass ein krankheitserregender Pilz in den Stoffwechsel der einzelligen Algen eingreift und diesen für seine eigenen Zwecke verändert. Er lässt die Algen bioaktive Stoffe produzieren, die der Pilz für seine eigene Ausbreitung nutzt, während sie die Vermehrung der Algen verhindern und der Algenteppich schließlich schrumpft und stirbt.
Für seine Studie hat das Team im Labor ein System etabliert, bei dem der krankheitserregende Eipilz Lagenisma coscinodisci unter kontrollierten Bedingungen eine marine Kieselalge infiziert. Dieser Parasit ist bekannt dafür, dass er einzellige Meeresalgen befällt und ihre weitere Vermehrung verhindert. Die Forscherinnen und Forscher haben den Stoffwechsel der Algen während des Infektionsprozesses unter die Lupe genommen. Dabei stellten sie fest, dass alle infizierten Algen begannen, zwei chemische Substanzen zu produzieren, die sie normalerweise nicht herstellen: sogenannte Carboline, aus der Substanzklasse der Alkaloide, zu denen auch Nikotin und Koffein gehören. »Die Anwesenheit dieser Carboline hat uns überrascht. Ihre Bildung war bei Kieselalgen völlig unbekannt, sie wurden aber während des Befalls mit dem Eipilz von allen Algenzellen gebildet«, erläutert Marine Vallet, eine der beiden Hauptautorinnen der neuen Studie. Interessanterweise nutzten diese beiden Substanzen nur dem Eipilz, schadeten jedoch der Alge und töteten sie letztlich ab.
Für ihre Untersuchungen blieb den Forschenden nicht viel Zeit, denn die Schaderreger töten ihren Wirt innerhalb von nur wenigen Stunden. »Eipilze sind dafür bekannt, dass sie verschiedene Formen annehmen können: Oft sind sie nur als winzige Sporen in ihrem Wirt zu finden. Manchmal fügen sie gar keinen Schaden zu und ›schlafen‹ in ihrem Wirt. Andererseits können sie aber auch ein Massensterben der Zellen auslösen. Diese Prozesse führen zu einer starken Schwankung von dominanten Arten im Ozean«, beschreibt Tim Baumeister, weiterer Hauptautor, die Herausforderungen, die es zu Beginn der Arbeit zu meistern galt.
Die aktiven chemischen Verbindungen identifiziert
Mit Hilfe von hochauflösenden spektrometrischen Methoden kombiniert mit mikroskopischen Techniken gelang es den Wissenschaftlern schließlich, die aktiven chemischen Verbindungen zu identifizieren, die eine einzelne Algenzelle produziert. »Dabei muss man sich vor Augen führen, dass eine einzelne Zelle 30-mal kleiner als ein Stecknadelkopf ist und verglichen mit der Menge an Meerwasser nur ganz geringe Konzentrationen aller Stoffe vorliegen. Die Chemie in einer einzelnen Zelle aufzuklären, ist eine große technische Errungenschaft«, führt Georg Pohnert aus. Der Professor für Instrumentelle Analytik der Universität Jena leitet die Max-Planck-Fellow-Gruppe »Interaktion in Plankton-Gemeinschaften«.
In weiteren Studien möchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jetzt herausfinden, wie sich die Kieselalgen gegenüber einem Angriff dieser Erreger wehren können, denn es ist bekannt, dass nicht alle Kieselalgenarten gleichermaßen anfällig für die feindliche Übernahme durch die Eipilz-Parasiten sind. Vielmehr stellen die Kieselalgen und ihre vielfältigen Wechselwirkungen mit ihrer Umwelt den Forschenden noch zahlreiche Fragen. »Das Meer ist ein Schatz, den man schützen muss. Es gibt noch viele fantastische Entdeckungen, die uns dort erwarten«, schließt Marine Vallet.
Text: Angela Overmeyer
Original-Publikation: The oomycete Lagenisma coscinodisci hijacks host alkaloid synthesis during infection of a marine diatom. Nature Communications (2019). DOI: 10.1038/s41467-019-12908-wExterner Link
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