Für die Entwicklung einer Licht abstrahlenden Siliziumlegierung sind Forschende der TU Eindhoven und der Universität Jena zusammen mit Partnern der Universität Linz und der TU München vom Fachmagazin Physics World als »Breakthrough of the Year 2020« ausgezeichnet worden. Die prämierte Arbeit könnte die optische Datenverarbeitung in den kommenden Jahren revolutionieren, ermöglicht sie doch erstmals den Bau photonischer Computerchips.
Text: Ute Schönfelder
Das Team, dem Jens Renè Suckert und Prof. Dr. Silvana Botti von der Universität Jena angehören, hat in seiner im April 2020 vorgelegten Arbeit erstmals gezeigt, dass sich Siliziumlegierungen eignen, Photonen in nennenswerter Größenordnung auszusenden. Damit ebnen die Forschenden den Weg zu Siliziumlasern, die die optische Datenverarbeitung revolutionieren könnten. Das Magazin Physics World ehrt seit 2009 jährlich mit dem »Breakthrough of the Year« internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
»Unsere Arbeit macht erstmals siliziumbasierte photonische Computerchips möglich, die wesentlich schneller und energiesparender arbeiten können als die bisherigen elektronischen Chips«, ordnet Prof. Silvana Botti die Bedeutung der Entwicklung ein. Solche Mikrochips, die mit Lichtteilchen (Photonen) anstatt Elektronen kommunizieren, brauchen einen integrierten Laser, der die Datensignale direkt auf dem Chip produziert. Das Halbleitermaterial Silizium galt bislang jedoch als äußert schwacher Lichtsender. Ursache dafür sind die Symmetrieeigenschaften seiner elektronischen Energiezustände. Um Photonen, also Licht, auszusenden, müssen Elektronen im Halbleiter aus einem angeregten Zustand – dem Leitungsband – in einen energieärmeren Zustand – das Valenzband – »springen«. »Im Siliziumkristall sind diese beiden Bänder jedoch so gegeneinander versetzt, dass der Elektronenübergang nur schwer möglich ist«, erläutert Jens Renè Suckert, der einer der Erstautoren der ausgezeichneten Arbeit ist. Diese sogenannte indirekte Bandlücke verhinderte daher bislang eine effiziente Photonenfreisetzung aus Silizium.
In einer Nanodraht-Geometrie ändert Silizium seine Kristallstruktur
Um dieses Problem zu umgehen, hat das Team eine 50 Jahre alte Theorie aufgegriffen und die Kristallstruktur des Siliziums so modifiziert, dass die indirekte Bandlücke aufgehoben wird. Den Forschenden ist es erstmals gelungen, Silizium mit dem Halbleiter Germanium in einer Legierung statt in seiner kubischen (siehe Abbildung oben) in einer hexagonalen Kristallstruktur (siehe Abbildung rechts) wachsen zu lassen, wodurch der Übergang zwischen Leitungs- und Valenzband erleichtert wird. In dieser Kristallstruktur, so konnten die Forschenden in ihrer im Fachmagazin Nature publizierten Arbeit nachweisen, setzt Silizium effektiv Licht frei.
Für die Arbeit haben die Jenaer Physiker die Berechnungen der elektronischen Eigenschaften der untersuchten Silizium-Germanium-Nanodrähte geliefert. »Fundierte Berechnungen sind entscheidend, um zu belegen, dass die Lichtemission tatsächlich aus dem direkten Bandübergang der Legierung stammt und um etwaige andere Quellen auszuschließen«, macht Silvana Botti deutlich. Die Berechnungen waren dabei so präzise, dass sie auch Vorhersagen darüber erlaubten, bei welchem Germaniumanteil die Lichtemission wie effizient ist und in welcher Farbe das Licht emittiert wird.
Theorie ermöglicht präzise Vorhersagen für Experimente
»Die Auszeichnung als wichtigster Durchbruch in der Physik-Forschung ist eine tolle Bestätigung dafür, wie aus der Kombination von theoretischer und experimenteller Forschung wichtige Innovationen entstehen können«, freut sich Silvana Botti. Wie die vorliegende Arbeit zeige, profitiere die Experimentalphysik von den Berechnungen, die die theoretische Physik liefert. »Zusammen können Theorie und Experiment zu echten Durchbrüchen führen«, so Botti.
Original-Publikation:
Direct-bandgap emission from hexagonal Ge and SiGe alloys, Nature (2020), DOI: 10.1038/s41586-020-2150-yExterner Link