Dr. Frederik Tuitje (r.) und Tobias Helk bereiten die Laser-Plasma-Quelle für Experimente vor.

Optische Harmonielehre

Dank hoher harmonischer Schwingungen lässt sich das Innere von Plasmen erforschen
Dr. Frederik Tuitje (r.) und Tobias Helk bereiten die Laser-Plasma-Quelle für Experimente vor.
Foto: Jens Meyer (Universität Jena)

Die optische Mikroskopie hat ihre Grenzen – das hat Ernst Abbe in Jena mit seinen Berechnungen zur Auflö­sungsgrenze gezeigt. Um diese Grenze zu überschreiten, suchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach Alternativen ohne optische Linsen. Um beim Mikroskopieren Nanometerauflösung zu erreichen, kom­men inzwischen häufig hochintensive Laser zum Einsatz, deren Strahlen ein Objekt durchleuchten und da­durch Information über es preisgeben. Eine Quelle für solches Licht sind in Gas erzeugte hohe Harmonische, die Physikerinnen und Physiker auf vielfältige Weise erzeugen und einsetzen.

Text: Sebastian Hollstein

Hohe Harmonische sind eine Lichtquelle, die sich durch besonders kohärentes und kurz­welliges Licht auszeichnen – Eigenschaften, die sowohl zur Auflösung von wenigen Nanometer kleinen Objekten als auch zur Beobachtung dynamischer Prozesse notwendig sind. Um sie zu erzeugen, strahlt man sehr intensive Laserpul­se in ein Edelgas. Licht und Gasatome wechselwirken nichtlinear miteinan­der: Elektronen werden im Lichtfeld in Schwingungen versetzt und geben dabei kurzwellige Strahlung ab – die hohen Harmonischen. Strahlt dieses extrem ultraviolet­te (XUV) Licht durch eine unbekannte Probe hindurch, so verändert es seine Eigenschaften. Diese Veränderungen enthalten Informationen über das unter­suchte Objekt. Da es sich um sehr kurz­welliges Licht handelt, lassen sich auch Proben durchleuchten, die für normales Licht nicht transparent sind – beispiels­weise Plasma.

Was Sterne zum Leuchten bringt

Plasma ist ein Gemisch aus Ionen und freien Elektronen, das entsteht, wenn man Materie sehr stark anregt. Nahezu die gesamte sichtbare Materie im Welt­all – Sterne, Galaxien und interstellare Materie – nimmt diesen Aggregatzu­stand ein. Will man also mehr über unser Universum erfahren, so ist die Erforschung von Plasmen unumgäng­lich. Zwar lässt sich Plasma im Labor problemlos erzeugen, aber was im »tur­bulenten« Inneren dieser hochdichten Wolke aus Ionen und freien Elektronen passiert, bleibt bisher verborgen. Prof. Dr. Chris­tian Spielmann und sein Team vom In­stitut für Optik und Quantenelektronik arbeiten gemeinsam mit internationalen Kolleginnen und Kollegen daran, die­se besondere Form von Materie genau zu untersuchen und buchstäblich zu durchleuchten. Ihr wichtigstes Werk­zeug: hohe Harmonische.

Dabei konnten sie bereits erste Erfolge erzielen. In einer im Magazin »Light: Science & Application« veröffentlichten Arbeit stellt das Forschungsteam eine Methodik vor, die es erlaubt, die Ent­stehung und Wechselwirkung von hoch ionisiertem Kryptonplasma mit kohä­rentem ultravioletten Licht im Femto­sekundenbereich direkt zu beobachten. »Wir haben zunächst mit einem Laser Kryptongas so angeregt, dass es zu Plasma wurde, und dann einen kohä­renten XUV-Sondenpuls – einen hohen Harmonischen – hindurchgesandt, der eine so kurze Wellenlänge aufwies, dass er das Plasma durchdringen konn­te«, erklärt Spielmann. »Dieser zweite Strahl nahm, während er sich durch das Plasma ausbreitete, die Eigenschaften des Plasma auf.« Mit einem neuartigen Röntgenlicht-Streuverfahren konnten die Forschenden die Informationen schließlich auslesen und so ein Abbild der räumlichen Verteilung von Elektro­nen und Ionen im Plasma erzeugen.

Wie Solarzellen effizienter werden

Auf einem anderen, praxisnäheren Feld liefern hohe Harmonische ebenfalls wichtige Einblicke und helfen sogar beim Kampf gegen den Klimawandel. So erforscht Spielmann im Rahmen des Projektes »QUESTforENERGY« gemeinsam mit Prof. Dr. Michael Zürch von der University of California in Berkeley so­wie Kolleginnen und Kollegen aus an­deren Disziplinen neue Nanomateriali­en für die Verwendung in Solarzellen. »Die derzeit verbreiteten, einschichtigen Solarzellen auf Siliziumbasis lassen sich in ihrer Effizienz kaum noch steigern und eignen sich deshalb kaum, um den steigenden Energieverbrauch aufzufan­gen«, sagt Spielmann. »Alternativen müssen her.« So ließen sich möglicher­weise verschiedene zweidimensionale Materialien mit unterschiedlichen Ab­sorptionsspektren kombinieren, die mehr Spektralbereiche der Sonne abde­cken würden und mehr Licht in elektri­sche Energie umwandeln könnten.

Um herauszufinden, welche Materialien sich dafür eignen, müssen Wissenschaft­lerinnen und Wissenschaftler zunächst untersuchen, wie sich ihre optischen und elektronischen Eigenschaften ver­ändern, wenn sie optisch angeregt werden, und wie sich diese optoelekt­ronischen Eigenschaften kontrollieren lassen. Wie breiten sich Ladungsträger im Material aus und was passiert dabei mit der Struktur der Materialien?

Um diese Prozesse zeitaufgelöst – auf einer Femtosekundenskala – beobachten zu können, kommen hohe Harmonische zum Einsatz. Mit ihnen bestrahlen die Forscherinnen und Forscher die ange­regte Probe und können am austreten­den Strahl atomare Veränderungen im zweidimensionalen Material auslesen. So erfahren sie, wie sich das Elektron einen Weg durch die Probe hindurch gebahnt hat und wie viel Zeit es dafür benötigte.

Phantombilder biologischer Proben

Auch für biologische Analysen könnte die Mikroskopie mit hohen Harmoni­schen Anwendung finden, denn durch die kurze Wellenlänge lassen sich feine­re Details auflösen als mit sichtbarem Licht. Allerdings besteht die Gefahr, dass organische Proben durch die in­tensive Strahlung geschädigt oder sogar zerstört werden. Messmethoden mit leistungsstarken Röntgenlasern gelingt es zwar, Informationen zu sammeln, bevor Objekte Schaden nehmen, doch diese sind sehr aufwendig. Spielmann und sein Team loten deshalb im Rah­men des Exzellenzclusters »Balance of the Microverse« Möglichkeiten für ein XUV-Ghost-Imaging-Verfahren aus. Dabei werden Objekte untersucht, die nicht direkt zwischen der XUV-Licht­quelle und einer Kamera stehen. Dafür wird der XUV-Strahl geteilt: in einen intensiven Strahl, der das Bild in einer Kamera ohne Objekt erzeugt, und einen schwachen Strahl, der zeitgleich das zu untersuchende Objekt durchleuchtet und danach auf eine Fotodiode fällt. Da beide Strahlen miteinander korreliert sind, kann durch Kombination der In­formationen aus beiden Strahlen, das Objekt vollständig rekonstruiert wer­den. 

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Original-Publikation:

Nonlinear Ionization Dynamics of Hot Dense Plasma Observed in a Laser-Plasma Amplifier, Light: Science & Applications (2020), DOI: 10.1038/s41377-020-00424-2Externer Link

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