Die optische Mikroskopie hat ihre Grenzen – das hat Ernst Abbe in Jena mit seinen Berechnungen zur Auflösungsgrenze gezeigt. Um diese Grenze zu überschreiten, suchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach Alternativen ohne optische Linsen. Um beim Mikroskopieren Nanometerauflösung zu erreichen, kommen inzwischen häufig hochintensive Laser zum Einsatz, deren Strahlen ein Objekt durchleuchten und dadurch Information über es preisgeben. Eine Quelle für solches Licht sind in Gas erzeugte hohe Harmonische, die Physikerinnen und Physiker auf vielfältige Weise erzeugen und einsetzen.
Text: Sebastian Hollstein
Hohe Harmonische sind eine Lichtquelle, die sich durch besonders kohärentes und kurzwelliges Licht auszeichnen – Eigenschaften, die sowohl zur Auflösung von wenigen Nanometer kleinen Objekten als auch zur Beobachtung dynamischer Prozesse notwendig sind. Um sie zu erzeugen, strahlt man sehr intensive Laserpulse in ein Edelgas. Licht und Gasatome wechselwirken nichtlinear miteinander: Elektronen werden im Lichtfeld in Schwingungen versetzt und geben dabei kurzwellige Strahlung ab – die hohen Harmonischen. Strahlt dieses extrem ultraviolette (XUV) Licht durch eine unbekannte Probe hindurch, so verändert es seine Eigenschaften. Diese Veränderungen enthalten Informationen über das untersuchte Objekt. Da es sich um sehr kurzwelliges Licht handelt, lassen sich auch Proben durchleuchten, die für normales Licht nicht transparent sind – beispielsweise Plasma.
Was Sterne zum Leuchten bringt
Plasma ist ein Gemisch aus Ionen und freien Elektronen, das entsteht, wenn man Materie sehr stark anregt. Nahezu die gesamte sichtbare Materie im Weltall – Sterne, Galaxien und interstellare Materie – nimmt diesen Aggregatzustand ein. Will man also mehr über unser Universum erfahren, so ist die Erforschung von Plasmen unumgänglich. Zwar lässt sich Plasma im Labor problemlos erzeugen, aber was im »turbulenten« Inneren dieser hochdichten Wolke aus Ionen und freien Elektronen passiert, bleibt bisher verborgen. Prof. Dr. Christian Spielmann und sein Team vom Institut für Optik und Quantenelektronik arbeiten gemeinsam mit internationalen Kolleginnen und Kollegen daran, diese besondere Form von Materie genau zu untersuchen und buchstäblich zu durchleuchten. Ihr wichtigstes Werkzeug: hohe Harmonische.
Dabei konnten sie bereits erste Erfolge erzielen. In einer im Magazin »Light: Science & Application« veröffentlichten Arbeit stellt das Forschungsteam eine Methodik vor, die es erlaubt, die Entstehung und Wechselwirkung von hoch ionisiertem Kryptonplasma mit kohärentem ultravioletten Licht im Femtosekundenbereich direkt zu beobachten. »Wir haben zunächst mit einem Laser Kryptongas so angeregt, dass es zu Plasma wurde, und dann einen kohärenten XUV-Sondenpuls – einen hohen Harmonischen – hindurchgesandt, der eine so kurze Wellenlänge aufwies, dass er das Plasma durchdringen konnte«, erklärt Spielmann. »Dieser zweite Strahl nahm, während er sich durch das Plasma ausbreitete, die Eigenschaften des Plasma auf.« Mit einem neuartigen Röntgenlicht-Streuverfahren konnten die Forschenden die Informationen schließlich auslesen und so ein Abbild der räumlichen Verteilung von Elektronen und Ionen im Plasma erzeugen.
Wie Solarzellen effizienter werden
Auf einem anderen, praxisnäheren Feld liefern hohe Harmonische ebenfalls wichtige Einblicke und helfen sogar beim Kampf gegen den Klimawandel. So erforscht Spielmann im Rahmen des Projektes »QUESTforENERGY« gemeinsam mit Prof. Dr. Michael Zürch von der University of California in Berkeley sowie Kolleginnen und Kollegen aus anderen Disziplinen neue Nanomaterialien für die Verwendung in Solarzellen. »Die derzeit verbreiteten, einschichtigen Solarzellen auf Siliziumbasis lassen sich in ihrer Effizienz kaum noch steigern und eignen sich deshalb kaum, um den steigenden Energieverbrauch aufzufangen«, sagt Spielmann. »Alternativen müssen her.« So ließen sich möglicherweise verschiedene zweidimensionale Materialien mit unterschiedlichen Absorptionsspektren kombinieren, die mehr Spektralbereiche der Sonne abdecken würden und mehr Licht in elektrische Energie umwandeln könnten.
Um herauszufinden, welche Materialien sich dafür eignen, müssen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zunächst untersuchen, wie sich ihre optischen und elektronischen Eigenschaften verändern, wenn sie optisch angeregt werden, und wie sich diese optoelektronischen Eigenschaften kontrollieren lassen. Wie breiten sich Ladungsträger im Material aus und was passiert dabei mit der Struktur der Materialien?
Um diese Prozesse zeitaufgelöst – auf einer Femtosekundenskala – beobachten zu können, kommen hohe Harmonische zum Einsatz. Mit ihnen bestrahlen die Forscherinnen und Forscher die angeregte Probe und können am austretenden Strahl atomare Veränderungen im zweidimensionalen Material auslesen. So erfahren sie, wie sich das Elektron einen Weg durch die Probe hindurch gebahnt hat und wie viel Zeit es dafür benötigte.
Phantombilder biologischer Proben
Auch für biologische Analysen könnte die Mikroskopie mit hohen Harmonischen Anwendung finden, denn durch die kurze Wellenlänge lassen sich feinere Details auflösen als mit sichtbarem Licht. Allerdings besteht die Gefahr, dass organische Proben durch die intensive Strahlung geschädigt oder sogar zerstört werden. Messmethoden mit leistungsstarken Röntgenlasern gelingt es zwar, Informationen zu sammeln, bevor Objekte Schaden nehmen, doch diese sind sehr aufwendig. Spielmann und sein Team loten deshalb im Rahmen des Exzellenzclusters »Balance of the Microverse« Möglichkeiten für ein XUV-Ghost-Imaging-Verfahren aus. Dabei werden Objekte untersucht, die nicht direkt zwischen der XUV-Lichtquelle und einer Kamera stehen. Dafür wird der XUV-Strahl geteilt: in einen intensiven Strahl, der das Bild in einer Kamera ohne Objekt erzeugt, und einen schwachen Strahl, der zeitgleich das zu untersuchende Objekt durchleuchtet und danach auf eine Fotodiode fällt. Da beide Strahlen miteinander korreliert sind, kann durch Kombination der Informationen aus beiden Strahlen, das Objekt vollständig rekonstruiert werden.
Original-Publikation:
Nonlinear Ionization Dynamics of Hot Dense Plasma Observed in a Laser-Plasma Amplifier, Light: Science & Applications (2020), DOI: 10.1038/s41377-020-00424-2Externer Link