Prof. Dr. Thomas Pertsch untersucht nanostrukturierte Oberflächen mit einem Nahfeldmikroskop.

Spitzenforschung mit Nanoleuchten

Extrem dünne Metallspitzen und optische Fasern analysieren feinste Strukturen
Prof. Dr. Thomas Pertsch untersucht nanostrukturierte Oberflächen mit einem Nahfeldmikroskop.
Foto: Jens Meyer (Universität Jena)

Ein »Plattenspieler« für Nanomaterialien: Forschungsteams aus Chemie und Physik entwickeln extrem dünne Metallspitzen und optische Fasern, mit denen sich feinste Oberflächenstrukturen abrastern und analysieren lassen. In Kombination mit intensivem Laserlicht werden die Metallspitzen zu superfokussierenden Nano­leuchten, die neben der räumlichen Auflösung von Oberflächenstrukturen zum Beispiel auch deren chemi­sche Zusammensetzung oder optische Eigenschaften detektieren.

Text: Ute Schönfelder

Die Wechselwirkung von Licht und Ma­terie untersuchen die Forschungsteams um Prof. Dr. Volker Deckert und Prof. Dr. Thomas Pertsch. Dafür nutzen sie ein hochauflösendes optisches Verfah­ren, das auf dem Prinzip der bereits etablierten Rastersondenmikroskopie basiert und nichtlineare optische Effekte einbezieht. »Ein Rastersondenmikros­kop funktioniert, vereinfacht gesagt, wie ein Plattenspieler«, erläutert Thomas Pertsch. Eine winzige Metallspitze ras­tert die Oberfläche der zu untersuchen­den Materialprobe ab und überträgt Informationen über deren Topografie über einen beweglichen Arm auf einen Detektor. »Diese Methode ist so emp­findlich, dass sich Metalloberflächen bis auf einzelne Atome im Metallgitter auf­lösen lassen«, so Pertsch.

Doch das ist den Physikern noch nicht empfindlich genug. In einem gemeinsa­men Projekt kombinieren die Forscher die Rastersondenmikroskopie mit opti­schen Verfahren, um neben der Oberflä­chenstruktur auch Informationen über die optischen und chemischen Eigen­schaften der zu untersuchenden Proben zu erhalten. Bisher verfolgen Volker Deckert und Thomas Pertsch dabei je­weils unterschiedliche Ansätze, die sie im Sonderforschungsbereich »NOA« zu einem gemeinsamen Messverfahren kombinieren wollen.

Silbertröpfchen machen Siliziumnadel empfindlicher

So nutzen Deckert und seine Kolle­ginnen und Kollegen vom Institut für Physikalische Chemie winzige Silizi­umnadeln, um die Proben abzurastern. Die Nadeln selbst sind etwa 50 Mikro­meter lang – weniger als ein Blatt Papier dick ist. Die Nadelspitze, die mit der Probe interagiert, ist aber noch mehr als 1 000 Mal kleiner, lediglich fünf bis zehn Nanometer misst sie im Durch­messer. Doch das ist immer noch nicht klein – und damit empfindlich – genug. »Zusätzlich wird die Siliziumnadel mit Silber bedampft, das sich in winzigen  Tröpfchen an der Siliziumoberfläche niederschlägt«, erläutert Deckert. Die einzelnen Silbertröpfchen vergrößern die effektive Nadelspitze nur unwesent­lich um etwa 10 nm, was etwa der Dicke einer Zellmembran entspricht.

Die so präparierte Nadel rastert nicht nur aufgrund ihrer winzigen Größe je­des noch so kleine Detail der Probe ab und deckt dabei Strukturen und Defek­te in allen Einzelheiten auf. Zusätzlich wird sie während des Messvorgangs mit Laserlicht bestrahlt und an ein Ra­man-Spektrometer gekoppelt. Das re­flektierte Licht der Nadel kann damit ebenfalls zur Detektion der Oberflä­chenstruktur und ihrer Eigenschaften herangezogen werden.

Hauptsächlich bezwecken die For­schenden damit aber etwas anderes: »Die Konzentration von Lichtteilchen mit hoher Intensität in dem sehr klei­nen Volumen der Metallnadel führt zu nichtlinearen Effekten zwischen Licht und Material«, sagt Deckert. Die Na­delspitze selbst wird dabei quasi zur Lichtquelle, die die Lichtteilchen lokal so stark konzentriert, dass sie dabei die Empfindlichkeit der Raman-Spektro­skopie deutlich erhöht. Wie das Team um Jürgen Popp und Jer-Shing Huang nutzt Deckert dabei sowohl lineare, als auch nichtlineare Wechsel­wirkungen zwischen Licht und Material aus, um das über intensive Kurzpulsla­ser angeregte Raman-Streulicht kohä­rent zu bündeln (»Coherent anti-Stokes Raman Scattering«; CARS), was die Ra­man-Signale verstärkt.

Dass sich diese Methoden ganz prak­tisch nutzen lassen, das konnten die Jenaer Forschenden gemeinsam mit US-amerikanischen Kollegen in einer kürzlich publizierten Studie zeigen. Im Fachmagazin »Proceedings of the Na­tional Academy of Sciences« präsentier­ten sie Messergebnisse, wonach sich in klinischen Proben mittels spitzenver­stärkter Raman-Spektroskopie nicht nur einzelne Viruspartikel nachweisen, sondern zugleich auch die jeweilige Vi­rusart identifizieren lassen – und das in­nerhalb weniger Minuten. Während in der vorgestellten Studie Influenza- und Coxsackie-Viren untersucht wurden, ist das Verfahren prinzipiell natürlich auch geeignet, um beispielsweise SARS-CoV-2 nachzuweisen, betont Volker De­ckert.

Prof. Dr. Volker Deckert justiert einen Laser zur Untersuchung nanoskaliger Oberflächen und ihrer nichtlinearen optischen Eigenschaften.

Foto: Jens Meyer (Universität Jena)

Vergoldete Fasern konzentrieren Lichtteilchen

Das Team um Thomas Pertsch im Ins­titut für Angewandte Physik verfolgt einen anderen Ansatz, um lichtfokus­sierende Nadeln für nichtlinear-op­tische Untersuchungen herzustellen. »Wir verwenden optische Fasern, die an der Spitze mit einer dünnen Schicht Gold umhüllt sind«, erklärt Pertsch. Die Faser selbst hat etwa »Haaresbreite« – sie misst 125 Mikrometer im Durch­messer und damit etwas mehr als ein menschliches Haar. Ihre Spitze besitzt etwa 50 Mikrometer Länge und läuft auf wenige Nanometer spitz zu. Wird durch die Faser Laserlicht entsprechen­der Wellenlänge geführt, kommt es an der vergoldeten Spitze zur resonanten Wechselwirkung der Lichtteilchen und der Elektronen des Goldüberzugs. Es entsteht ein sogenanntes Oberflächen­plasmon – die kollektive Anregung von Elektronen entlang der Metalloberflä­che – das mit den Lichtteilchen intera­giert. »Auf diese Weise können wir Licht an der Nadelspitze fokussieren,    das durch die Interaktion mit den Elek­tronen dort praktisch gefangen ist und sich nicht entfernen kann«, so Pertsch. Mit der leuchtenden Nadel lassen sich Proben abrastern, während das Licht mit der Probe wechselwirkt. Zugleich führt die Faser das von der Probe reflek­tierte Licht zurück und leitet es an einen Detektor weiter.

Nanostrukturen bestimmen die optischen Eigenschaften

Auf diese Weise erhalten die Forscher umfangreiche und vielfältige Informa­tionen über die untersuchten Proben. »Aus den detektierten Daten lassen sich Schlüsse ziehen, welche Strukturen der Probe welche optischen Eigenschaften erzeugen«, so Deckert. Ziel sei es, ir­gendwann Nanostrukturen gezielt so herstellen zu können, dass die Materia­lien genau die optischen Eigenschaften aufweisen, die man für eine konkrete Anwendung braucht.

Im aktuellen Forschungsprojekt im Son­derforschungsbereich »NOA« gehe es zunächst um Grundlagenforschung, die an gut charakterisierten Referenzma­terialien die Untersuchungsmethodik etablieren soll. »Entscheidend für den Erfolg dabei ist auch die enge Koopera­tion mit Forschungspartnern, die theo­retische Modellierungen von Licht-Ma­terie-Wechselwirkungen vornehmen«, betont Thomas Pertsch. Dies sei sowohl für die Entwicklung der Nanospitzen als auch für die Auswertung der nichtli­nearen optischen Effekte unerlässlich.

Blick auf eine versilberte Siliziumspitze zum Abtasten von Oberflächen und Material.

Foto: Jens Meyer (Universität Jena)



Information

Original-Publikation:

Laser spectroscopic technique for direct identification of a single virus I: FASTER CARS, Proc Natl Acad Sci U S A. 2020, DOI: 10.1073/pnas.2013169117Externer Link

Kontakt:

Volker Deckert, Univ.-Prof. Dr.
Arbeitsgruppenleiter
vCard
Raum E012
Helmholtzweg 4
07743 Jena Google Maps – LageplanExterner Link
Thomas Pertsch, Prof. Dr.
vCard
Abbe Center of Photonics, Raum 305
Albert-Einstein-Straße 6
07745 Jena Google Maps – LageplanExterner Link