Was sich zwischen einzelnen Atomen und Molekülen abspielt, wenn sie miteinander reagieren, lässt sich bisher nicht direkt beobachten. Die Signale, die durch eine Wechselwirkung von Licht mit Atomen und Molekülen erzeugt werden, sind zu schwach, um sie mit gängigen lichtbasierten Methoden zu erfassen. Ein Jenaer Forschungsteam hat eine Strategie entwickelt, um die schwachen Signale durch plasmonische und nichtlinear optische Effekte zu verstärken – ein erster Schritt zur direkten Beobachtung chemischer Reaktionen an Einzelmolekülen.
Text: Ute Schönfelder
Wir fördern Wissen »zutage«. Wir wollen die Natur um uns herum »näher beleuchten«. Wenn wir eine Erkenntnis gewinnen, »geht uns ein Licht« auf. Metaphern über die erhellende Wirkung von Licht gibt es viele. Und das nicht ohne Grund: »Wenn wir etwas über unsere Umwelt lernen wollen, über Materie und Moleküle, die uns umgeben und die grundlegenden Prozesse, die darin ablaufen, brauchen wir Licht«, sagt Chemiker Prof. Dr. Jürgen Popp. »Angefangen von einfachsten Mikroskopen, die jeder noch aus dem Schulunterricht kennt, bis zu modernsten Bildgebungsverfahren, die auf der Wechselwirkung von Laserlicht mit Materie beruhen, ist Licht der Schlüssel zu dem, was wir sehen.«
Popp und seine Teams am Institut für Physikalische Chemie der Universität Jena und am Leibniz-Institut für Photonische Technologien (IPHT) forschen an spektroskopischen Methoden, die es ermöglichen können, mitten in eine chemische Reaktion hineinzusehen.
Dafür optimieren sie die Raman-Spektroskopie (siehe Kasten unten) – ein spektroskopisch-analytisches Verfahren, das heute bereits vielfältig Anwendung findet, etwa in der Analytik von Trinkwasser, Nahrungsmitteln oder der klinischen Diagnostik für den Nachweis von Krankheitserregern. Mittels Raman-Spektroskopie lässt sich berührungslos jedes Material und jedes Molekül eindeutig identifizieren. »Das Spektrum einer Probe gleicht einem chemischen Fingerabdruck«, veranschaulicht apl. Prof. Dr. Michael Schmitt aus Popps Team.
Allerdings: Der dem Raman-Signal zugrundeliegende Effekt der inelastischen Lichtstreuung ist ein schwacher Prozess; wollen die Forschenden Einzelmoleküle betrachten, müssen sie die Signale verstärken, um sie überhaupt messen zu können.
Und genau daran arbeiten Jürgen Popp und Michael Schmitt gemeinsam mit PD Dr. Jer-Shing Huang vom IPHT im Rahmen des Sonderforschungsbereichs »Nonlinear optics down to atomic scales«. Gerade haben die Forschenden einen ersten entscheidenden Schritt gemacht: In einer im Fachmagazin »ACS Nano« veröffentlichten Arbeit kombinieren sie mit Partnern aus Taiwan zwei Methoden, um das Raman-Signal effektiv zu verstärken.
Schwaches Raman-Signal wird plasmonisch verstärkt
Zum einen nutzen sie dafür plasmonische Nanostrukturen. Mit solchen optischen Antennen lassen sich selbst nanometerkleine Bereiche ausleuchten und so die Auflösung bildgebender Verfahren erhöhen. Im vorliegenden Fall nutzen die Forschenden plasmonische Strukturen jedoch, um das schwache Raman-Signal selbst zu verstärken: In den Nanostrukturen werden die Elektronen mit einem Laser zu sogenannten Oberflächenplasmonen angeregt, wodurch ein starkes elektrisches Feld entsteht, mit welchem Moleküle absorbiert und an den Nanostrukturoberflächen wechselwirken können. Dadurch wird die Wechselwirkung zwischen Raman-Anregungslicht und den zu untersuchenden Molekülen verstärkt und damit auch die Intensität der Raman-Streuung. Eine Verstärkung des Raman-Signals um bis zu zehn Größenordnungen lässt sich mittels dieses »Surface-enhanced Raman scattering« (SERS) genannten Verfahrens im Vergleich zur unverstärkten Raman-Spektroskopie erreichen.
Für seine Experimente nutzt das Forschungsteam Nanostrukturen aus Gold. Diese werden in spiegelglatte etwa 300 Nanometer dünne Einzelkristalle, sogenannte Goldflakes, gefräst. »Wir verwenden unterschiedliche Größen und Formen der Nanostrukturen und wollen herausfinden, wie sich das Design auf den plasmonischen Effekt auswirkt«, erläutert Jer-Shing Huang.
Nanostrukturen aus Gold wirken als Antennen für Laserlicht
Der Nanotechnologie-Experte und seine Kollegen gehen dabei zielgerichtet vor: Von theoretisch arbeitenden Gruppen um Prof. Dr. Stefanie Gräfe und Prof. Dr. Ulf Peschel aus dem Sonderforschungsbereich lassen sie zunächst die Wechselwirkung der Strukturen mit Licht am Computer modellieren, um daraus für den jeweils gewünschten Effekt die optimalen Designparameter abzuleiten. Neben dem SERS-Verfahren wenden die Jenaer Forscher in ihrer vorgelegten Arbeit eine weitere Möglichkeit an, das Raman-Signal zu verstärken: Durch nichtlineare Wechselwirkungen zwischen Licht und Material wird das über intensive Kurzpulslaser angeregte Raman-Streulicht kohärent gebündelt. Das »Coherent anti-Stokes Raman Scattering« (CARS) führt dadurch ebenfalls zu verstärkten Raman-Signalen. In ihrer aktuellen Publikation haben die Forschenden eine mit nanoskaligen Ringen strukturierte Goldfläche (siehe Abbildung links) hergestellt und diese sowohl zur plasmonischen Verstärkung des einstrahlenden Laserlichts (SERS) als auch des kohärenten Raman-Signals verwendet (CARS). Mit dem resultierenden »Nonlinear surface-enhanced coherent anti-Stokes Raman scattering« (SECARS) Verfahren lässt sich durch die Kombination der beiden Verstärkungsmechanismen CARS und SERS das Raman Signal um bis zu zwölf Größenordnungen verstärken.
Mit diesem Knowhow, so das Fazit der Forscher, lasse sich die Nachweisgrenze der Raman-Spektroskopie wesentlich verschieben. »Zu den bestehenden Vorteilen des Verfahrens – zum Beispiel dass man dafür die Probemoleküle direkt ohne Farbstoffe verwenden kann – kommt nun eine hohe Sensitivität hinzu«, macht Jürgen Popp deutlich. Michael Schmitt ergänzt, dass es das Ziel sei, die Methodik soweit zu verfeinern, dass sich damit chemische Reaktionen an Einzelmolekülen direkt beobachten lassen, »der Traum eines jeden Chemikers«.
Raman-Spektroskopie
Der indische Physiker und spätere Nobelpreisträger Chandrasekhara Venkata Raman entdeckte 1928 die nach ihm benannte Raman-Streuung: Treffen einfarbige Lichtteilchen auf Moleküle, wird das Licht gestreut. Der überwiegende Teil des Lichts behält dabei seine Wellenlänge und Frequenz, die Streuung erfolgt elastisch. Etwa jedes Millionste Photon jedoch wird inelastisch gestreut. Das bedeutet, es wird entweder Energie vom Lichtfeld auf das Molekül oder vom Molekül auf das Lichtfeld übertragen. Beide Fälle führen dazu, dass die gestreuten Photonen eine zum eingestrahlten Licht abweichende Wellenlänge (Frequenz, Energie) aufweisen.
Die Raman-Spektroskopie macht sich die inelastische Streustrahlung zunutze, indem Schwingungsenergie, die für jedes Atom bzw. Molekül spezifisch ist, übertragen wird. Raman-Spektren sind daher so etwas wie chemische Fingerabdrücke: Sie geben eindeutig Auskunft über die Zusammensetzung der untersuchten Probe.
Original-Publikation:
Spatially Resolving the Enhancement Effect in Surface-Enhanced Coherent Anti-StokesRaman Scattering [...], ACS Nano 2021, DOI: 10.1021/acsnano.0c07198Externer Link
07743 Jena Google Maps – LageplanExterner Link