Dr. Daniil Kartashov (l.) und Dr. Maria Wächtler arbeiten mit nichtlinear optischen Methoden.

Serienbildfotografie in Nanomaterialien

Wie sich in winzig kleinen Halbleitern extrem schnelle Vorgänge beobachten lassen
Dr. Daniil Kartashov (l.) und Dr. Maria Wächtler arbeiten mit nichtlinear optischen Methoden.
Foto: Jens Meyer (Universität Jena)

Beim Zieleinlauf eines 100-Meter-Rennens ist der Sieger nicht immer sofort klar: Oft passieren die Läufer Kopf an Kopf die Ziellinie, sodass es dem Beobachter unmöglich ist, ihre Reihenfolge zu erkennen – die Bewegung der Läufer ist einfach zu schnell. Mit einer Serienbild-Aufnahme lässt sich die Bewegung jedoch einfangen und zeitlich auflösen. Dieses Prinzip machen sich Physikerinnen und Physiker mit der Pump-Pro­be-Spektroskopie zunutze, um extrem schnelle Vorgänge in Nanomaterialien abzubilden.


Text: Ute Schönfelder

Lösung von Quantenpunkten aus Cadmiumselenid.

Foto: Jens Meyer (Universität Jena)

Einblicke in die winzigen Strukturen zu gewinnen, aus denen Materie besteht, ist das Ziel eines Forschungsprojekts von Dr. Maria Wächtler und Dr. Dani­il Kartashov im Rahmen des Sonder­forschungsbereichs »Nonlinear Optics down to Atomic Scales« (NOA). Sie untersuchen mit nichtlinear optischen Methoden elementare Grundbaustei­ne von Halbleitern. Dabei richtet sich die Aufmerksamkeit der Forschenden nicht nur auf die räumliche Auflösung atomarer Strukturen, sondern auch auf die Abbildung der dynamischen Pro­zesse, die in ihnen ablaufen – etwa die Schwingungen von Ladungsträgern in Atomgittern, die nur wenige hundert Femtosekunden dauern.

Um extrem schnelle Vorgänge in extrem kleinen Dimensionen untersuchen zu können, müssen gleich zwei Herausfor­derungen gelöst werden. »Erstens benö­tigen wir dafür das passende Untersu­chungsmaterial«, sagt Maria Wächtler. Die Chemikerin und ihr Team produ­zieren in ihren Labors am Leibniz-Insti­tut für Photonische Technologien dafür nützliche Nanohalbleiter. »Die zweite Voraussetzung ist, dass wir Methoden entwickeln, die einerseits empfindlich genug sind, Wechselwirkungen mit solch kleinen Strukturen zu detektieren und andererseits ultraschnelle Vorgän­ge abbilden können«, ergänzt Daniil Kartashov. Er ist Experte am Institut für Optik und Quantenelektronik der Uni versität Jena für zeitaufgelöste spektro­skopische Methoden.

Für ihr Projekt untersuchen die For­schenden Halbleitermaterialien, die sie in Größe, Form und Komplexität vari­ieren. Einfachste Objekte sind Quanten­punkte: nur wenige Nanometer kleine kugelförmige Gitter, die aus wenigen Hundert bis Tausend Atomen bestehen. »Diese werden auch künstliche Atome genannt, weil sie sich in ihren elektro­nischen Eigenschaften wie Einzelato­me verhalten«, erklärt Wächtler. Die Ladungsträger – die Elektronen – kön­nen sich aufgrund der geringen räum­lichen Ausdehnung in den Kügelchen nicht frei bewegen und sind auf ganz bestimmte Energiewerte festgelegt, wo­durch ihre Eigenschaften von Quanteneffekten bestimmt werden.

Die Quantenpunkte bestehen aus Cad­miumselenid und messen zwischen zwei und acht Nanometern im Durch­messer. Um sich ungefähr vorstellen zu können, wie klein ein Nanometer ist, hilft ein Vergleich: Ein Nanometer (ein Millionstel Millimeter) verhält sich zu einem Meter wie der Durchmesser ei­ner 1-Cent-Münze zu dem des Planeten Erde. Solche Strukturen sind für linear optische Methoden praktisch »unsicht­bar«.

Aus Infrarotstrahlung wird sichtbares Licht

Um herauszufinden, wie solch nanoska­lige Halbleiter funktionieren, etwa wie Ladungen in ihnen transportiert wer­den oder sich Schwingungen im Atom­gitter fortpflanzen, braucht es eine neue hochempfindliche Diagnostik-Methode. Die Forschenden um Daniil Kartashov setzen dabei auf die Erzeugung hoher harmonischer optischer Schwingungen. »Dabei handelt es sich um Schwingungen, die durch Wechselwirkung von Laserlicht mit dem zu untersuchenden Material ent­stehen und ein Vielfaches der Frequenz des eingestrahlten Lichtes aufweisen«, sagt Kartashov. Allerdings: Hohe Har­monische entstehen erst bei sehr hohen Feldstärken des eingestrahlten Lichts. Der Laser, der die Quantenpunkte an­regt, sendet eine Leistung von 300 Milli­arden Watt pro Quadratzentimeter aus. Damit das Material dabei nicht sofort verdampft, wird der Laser gepulst – nur etwa 100 Femtosekunden (Millionstel einer Milliardstel Sekunde) wirkt das Licht auf das Material ein.

»Diese kurze Zeitspanne reicht aus, um mit den Elektronen in den Atom­gittern zu wechselwirken und diese zu hohen Harmonischen anzuregen«, sagt Kartashov. Der Anregungslaser sendet Pulse im mittleren Infrarotspektrum mit einer Wellenlänge von ca. 4 800 nm aus, die für das menschliche Auge un­sichtbar sind. Die entstehenden Har­monischen schwingen mit jeweils ge­teilter Wellenlänge: die 3. Harmonische mit 1 600 nm, die 5. mit 960 nm und so weiter. »Wir nehmen die Spektren der erzeugten Strahlen für den Bereich der 5. bis 13. Harmonischen auf«, sagt Kar­tashov. Da die Signale jedoch extrem schwach sind, werden etwa 1 000 Pulse pro Sekunde auf die Probe geschossen und die Einzelaufnahmen summiert.

Auf diese Weise erhalten die Forschen­den zunächst Momentaufnahmen aus dem Material. Um seine innere Dyna­mik beobachten zu können, kommt ein weiterer Laser ins Spiel. Dieser An­regungslaser versetzt die Elektronen im Atomgitter zunächst in Bewegung. Anschließend kommt der zweite Laser­puls mit einer variablen Verzögerung, um Schnappschüsse dieser Dynamik zu machen. Werden dabei Spektren der erzeugten Harmonischen aufgezeich­net, entsteht eine Serienbildaufnahme der Gitterdynamik, ähnlich wie in der Sportfotografie, wenn sehr schnelle Be­wegungen – etwa der Zieleinlauf der Sprinter – in Einzelbildern aufgelöst werden.

Diese Pump-Probe-Spektroskopie ge­nannte Methode wenden die Forschen­den auf unterschiedliche Nanomateri­alien an. Neben den Quantenpunkten untersuchen sie auch Nanodrähte und einlagige Membranen, die von Kollegen um Prof. Turchanin hergestellt werden. »So erhalten wir Informa­tionen darüber, wie sich unterschiedli­che Strukturen und Geometrien auf die optischen Eigenschaften der Halbleiter­materialien auswirken«, erläutert Maria Wächtler. Das sei aktuell noch weitge­hend Grundlagenforschung, die jedoch erhebliches praktisches Anwendungs­potenzial habe. »Mit diesen Erkenntnis­sen könnten sich photonische Halbleiter entwickeln lassen, die in photonischen Computerchips Anwendung finden«, so Kartashov. Diese hätten gegenüber elek­tronischen Chips den großen Vorteil, dass mit erheblich größerer Geschwin­digkeit Informationen verarbeitet wer­den könnten: die Lichtgeschwindigkeit ist mindestens 1 000 mal höher als die Geschwindigkeit von Elektronentrans­portprozessen.