Maximale Oberfläche bei minimaler Schichtdicke: Im Labor der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Andrey Turchanin wachsen ultradünne anorganische Materialien, die nur aus einer einzigen Atomlage bestehen. Im Verbund mit nanoskaligen optischen Antennen werden 2D-Materialien zu photonischen Nanomaterialien maßgeschneidert.
Text: Ute Schönfelder
Nicht einmal einen Nanometer messen die Kristalle im Querschnitt und sind dabei doch erstaunlich stabil. Da sie praktisch kein Volumen aufweisen, spricht man meist einfach von 2D-Materialien. Ähnlich wie Graphen – das erste 2D-Material, das technisch hergestellt werden konnte – weisen die ultradünnen Membranen aus Molybdän- oder Wolframdisulfid eine Reihe außergewöhnlicher Eigenschaften auf. »Sie sind ultimativ dünne Halbleitermaterialien und dadurch unter anderem für neuartige elektronische und optoelektronische Bauelemente, als Bestandteile chemischer Sensoren oder als Katalysatoren geeignet«, zählt Andrey Turchanin einige Anwendungsmöglichkeiten auf.
Die 2D-Materialien werden in Turchanins Labor synthetisiert, indem die chemischen Ausgangsstoffe auf über 700 °C aufgeheizt werden und dabei verdampfen. In einem Gasstrom aus Argon und Wasserstoff werden die Ausgangsstoffe bei definiertem Druck und Temperatur durch eine Glasröhre transportiert und reagieren dabei. Das Material kristallisiert auf einem in der Glasröhre befindlichen Trägermaterial aus, ähnlich wie Wasser an einer kalten Fensterscheibe Eisblumen bildet. Die »Eiskristalle« aus Wolframdisulfid haben die Form gleichseitiger Dreiecke, andere 2D-Materialien kristallisieren in Sternformen oder als »Schneeflocken« aus.
Andrey Turchanin und seine Kolleginnen und Kollegen im Institut für Physikalische Chemie stellen 2D-Materialien her, um daraus ultradünne photonische Strukturen zu entwickeln, mit denen sich nichtlineare optische Phänomene untersuchen lassen. Dafür sind die zweidimensionalen Kristalle sehr gut geeignet: Ihre Struktur ermöglicht es den Elektronen untereinander und mit Lichtteilchen ausreichender Intensität in Wechselwirkung zu treten – was Voraussetzung für das Auftreten nichtlinearer Effekte ist.
Doch die 2D-Schichten sind so dünn, dass sie für eingestrahltes Laserlicht nahezu unsichtbar wären, da ihre Dicke wesentlich geringer ist als die Wellenlänge des verwendeten Lichts. Um eine effiziente Interaktion von Licht und 2D-Material dennoch zu ermöglichen, versehen die Forschenden die Membranen zusätzlich mit winzigen Antennen, die das Licht im Nahfeld konzentrieren und so die Auflösungsgrenze unterlaufen.
Siliziumschicht mit Nanoantennen und 2D-Material werden kombiniert
Dieser Schritt erfolgt im Labor von Prof. Dr. Isabelle Staude. Die Nanoantennen werden als dünne Schicht mittels Elektronenstrahllithografie hergestellt. Bei diesem Verfahren wird zunächst durch Belichtung eines Lackes mit einem Elektronenstrahl eine Maske der gewünschten Geometrie erzeugt und die Nanostruktur in einem zweiten Schritt durch einen Ätzprozess in das Material, beispielsweise Silizium, überführt. Die so erzeugten Nanoantennen haben eine Größe von einigen zehn bis wenigen 100 Nanometern. Unter einem Elektronenmikroskop sieht die lithografierte Antennenschicht aus wie ein Stück Noppenfolie. »Werden beide Schichten zusammengebracht, erhält man ein hybrides System, das optische Eigenschaften aufweist, die es in natürlichen Materialien so nicht gibt«, sagt Physikerin Staude vom Institut für Festkörperphysik. Die hybriden Systeme können zukünftig beispielsweise als miniaturisierte Quellen einzelner oder miteinander verschränkter Lichtteilchen Einsatz finden. Damit sind sie für Anwendungen in der Quantentechnologie interessant, etwa zur Verschlüsselung von optisch übertragenen Informationen.
Nichtlineare Frequenzverdopplung in Nanoantennen
Zu den nichtlinearen optischen Effekten, die sich mit den 2D-Membranen mit Nanoantennen erzeugen und analysieren lassen, gehört die nichtlineare Frequenzverdopplung (siehe Infokasten unten). Bei diesem Prozess werden Photonen erzeugt, die mit der im Vergleich zum eingestrahlten Licht doppelten Frequenz schwingen. »Wir beleuchten die Probe mit Laserpulsen mit einer Wellenlänge von 850 nm und erhalten neben der eingestrahlten Frequenz auch Laserlicht mit 425 nm«, erläutert Isabelle Staude den Effekt. Das erzeugte Licht wird detektiert und analysiert. Dabei interessiert die Forschenden nicht nur die Intensität der so erzeugten Strahlung, sondern vor allem die Polarisationseigenschaften dieses Lichts. Die Polarisation ist eine der zentralen Eigenschaften von Licht und kann zum Beispiel zur Kodierung von Information verwendet werden. Während in natürlich vorkommenden nichtlinearen Materialien, wie Phosphat- oder Boratkristallen, die Polarisation des einfallenden Laserlichts und des erzeugten nichtlinearen Lichts nach festen Regeln zusammenhängen, bieten die Hybridsysteme ganz neue Möglichkeiten, die Polarisationseigenschaften des nichtlinearen Lichts maßzuschneidern. Das wollen sich die Forscherinnen und Forscher zunutze machen.
Mit ihren Experimenten untersuchen die Teams um Staude und Turchanin nun, wie unterschiedliche geometrische Nanostrukturen die nichtlinear-optischen Effekte beeinflussen und wollen die Nanoantennen so designen, dass damit gezielt bestimmte Effekte kontrolliert werden können. Langfristiges Ziel sind außerdem optisch schaltbare Bauelemente. Dafür sollen die 2D-Materialien funktionalisiert werden, um selbstständig auf sich verändernde Umgebungsbedingungen wie etwa Licht reagieren zu können.
Nichtlineare Frequenzverdopplung
Durch die Wechselwirkung mit einem nichtlinearen Material, zum Beispiel einem Kristall mit einer bestimmten – sogenannten nicht inversionssymmetrischen – Gitterstruktur, entsteht aus Laserlicht Strahlung mit der doppelten Frequenz des eingestrahlten Lichts. Die Frequenzverdopplung hat eine Halbierung der Wellenlänge des Lichts zur Folge. Auf diese Weise kann beispielsweise aus infraroter Strahlung eines Nd:YAG-Lasers, mit der Wellenlänge von 1.064 nm, grünes Licht der Wellenlänge 532 nm erzeugt werden. Dieses Phänomen wird u. a. in Laserpointern genutzt. Ursache sind Schwingungen von Ladungsträgern im Kristall, die durch Wechselwirkung mit intensivem Laserlicht erzeugt werden.
Die nichtlineare Frequenzverdopplung wird im Englischen als »second harmonic generation« bezeichnet und daher häufig SHG abgekürzt.