Prof. Dr. Isabelle Staude (r.) und Physik-Doktorand Tobias Bucher entwickeln optische Antennen.

Ultimativ dünn: Halbleiter aus einer Atomlage

2D-Materialien mit optischen Nanoantennen werden maßgeschneidert
Prof. Dr. Isabelle Staude (r.) und Physik-Doktorand Tobias Bucher entwickeln optische Antennen.
Foto: Jens Meyer (Universität Jena)

Maximale Oberfläche bei minimaler Schichtdicke: Im Labor der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Andrey Turchanin wachsen ultradünne anorganische Materialien, die nur aus einer einzigen Atomlage bestehen. Im Verbund mit nanoskaligen optischen Antennen werden 2D-Materialien zu photonischen Nanomaterialien maßge­schneidert.

Text: Ute Schönfelder

Nicht einmal einen Nanometer mes­sen die Kristalle im Querschnitt und sind dabei doch erstaunlich stabil. Da sie praktisch kein Volumen aufweisen, spricht man meist einfach von 2D-Mate­rialien. Ähnlich wie Graphen – das erste 2D-Material, das technisch hergestellt werden konnte – weisen die ultradün­nen Membranen aus Molybdän- oder Wolframdisulfid eine Reihe außerge­wöhnlicher Eigenschaften auf. »Sie sind ultimativ dünne Halbleitermaterialien und dadurch unter anderem für neu­artige elektronische und optoelektro­nische Bauelemente, als Bestandteile chemischer Sensoren oder als Katalysa­toren geeignet«, zählt Andrey Turchanin einige Anwendungsmöglichkeiten auf.

Die 2D-Materialien werden in Turchanins Labor synthetisiert, indem die chemischen Ausgangsstoffe auf über 700 °C aufgeheizt werden und dabei verdampfen. In einem Gasstrom aus Argon und Wasserstoff werden die Ausgangsstoffe bei definiertem Druck und Temperatur durch eine Glasröhre transportiert und reagieren dabei. Das Material kristallisiert auf einem in der Glasröhre befindlichen Trägermaterial aus, ähnlich wie Wasser an einer kal­ten Fensterscheibe Eisblumen bildet. Die »Eiskristalle« aus Wolframdisulfid haben die Form gleichseitiger Dreiecke, andere 2D-Materialien kristallisieren in Sternformen oder als »Schneeflocken« aus.

Andrey Turchanin und seine Kollegin­nen und Kollegen im Institut für Physi­kalische Chemie stellen 2D-Materialien her, um daraus ultradünne photonische Strukturen zu entwickeln, mit denen sich nichtlineare optische Phänome­ne untersuchen lassen. Dafür sind die zweidimensionalen Kristalle sehr gut geeignet: Ihre Struktur ermöglicht es den Elektronen untereinander und mit Lichtteilchen ausreichender Intensität in Wechselwirkung zu treten – was Vo­raussetzung für das Auftreten nichtline­arer Effekte ist.

Doch die 2D-Schichten sind so dünn, dass sie für eingestrahltes Laserlicht nahezu unsichtbar wären, da ihre Di­cke wesentlich geringer ist als die Wel­lenlänge des verwendeten Lichts. Um eine effiziente Interaktion von Licht und 2D-Material dennoch zu ermöglichen, versehen die Forschenden die Membra­nen zusätzlich mit winzigen Antennen, die das Licht im Nahfeld konzentrieren und so die Auflösungsgrenze unterlau­fen.

Siliziumschicht mit Nanoantennen und 2D-Material werden kombiniert

Dieser Schritt erfolgt im Labor von Prof. Dr. Isabelle Staude. Die Nanoanten­nen werden als dünne Schicht mittels Elektronenstrahllithografie hergestellt. Bei diesem Verfahren wird zunächst durch Belichtung eines Lackes mit ei­nem Elektronenstrahl eine Maske der gewünschten Geometrie erzeugt und die Nanostruktur in einem zweiten Schritt durch einen Ätzprozess in das Material, beispielsweise Silizium, über­führt. Die so erzeugten Nanoantennen haben eine Größe von einigen zehn bis wenigen 100 Nanometern. Unter einem Elektronenmikroskop sieht die lithogra­fierte Antennenschicht aus wie ein Stück Noppenfolie. »Werden beide Schichten zusammengebracht, erhält man ein hy­brides System, das optische Eigenschaf­ten aufweist, die es in natürlichen Ma­terialien so nicht gibt«, sagt Physikerin Staude vom Institut für Festkörperphy­sik. Die hybriden Systeme können zu­künftig beispielsweise als miniaturisier­te Quellen einzelner oder miteinander verschränkter Lichtteilchen Einsatz fin­den. Damit sind sie für Anwendungen in der Quantentechnologie interessant, etwa zur Verschlüsselung von optisch übertragenen Informationen.

Nichtlineare Frequenzverdopplung in Nanoantennen

Zu den nichtlinearen optischen Effek­ten, die sich mit den 2D-Membranen mit Nanoantennen erzeugen und ana­lysieren lassen, gehört die nichtlineare Frequenzverdopplung (siehe Infokasten unten). Bei diesem Prozess werden Pho­tonen erzeugt, die mit der im Vergleich zum eingestrahlten Licht doppelten Frequenz schwingen. »Wir beleuchten die Probe mit Laserpulsen mit einer Wellenlänge von 850 nm und erhalten neben der eingestrahlten Frequenz auch Laserlicht mit 425 nm«, erläutert Isabel­le Staude den Effekt. Das erzeugte Licht wird detektiert und analysiert. Dabei in­teressiert die Forschenden nicht nur die Intensität der so erzeugten Strahlung, sondern vor allem die Polarisationsei­genschaften dieses Lichts. Die Polarisa­tion ist eine der zentralen Eigenschaften von Licht und kann zum Beispiel zur Kodierung von Information verwendet werden. Während in natürlich vorkom­menden nichtlinearen Materialien, wie Phosphat- oder Boratkristallen, die Po­larisation des einfallenden Laserlichts und des erzeugten nichtlinearen Lichts nach festen Regeln zusammenhängen, bieten die Hybridsysteme ganz neue Möglichkeiten, die Polarisationsei­genschaften des nichtlinearen Lichts maßzuschneidern. Das wollen sich die Forscherinnen und Forscher zunutze machen.

Mit ihren Experimenten untersuchen die Teams um Staude und Turchanin nun, wie unterschiedliche geometri­sche Nanostrukturen die nichtlinear-optischen Effekte beeinflussen und wol­len die Nanoantennen so designen, dass damit gezielt bestimmte Effekte kontrolliert werden können. Langfristiges Ziel sind außerdem optisch schaltbare Bauelemente. Dafür sollen die 2D-Ma­terialien funktionalisiert werden, um selbstständig auf sich verändernde Um­gebungsbedingungen wie etwa Licht reagieren zu können.

Prof. Dr. Andrey Turchanin (l.) und Dr. Antony George arbeiten am »Ultra High Vacuum (UHV) Multiprobe System« im Institut für Physikalische Chemie. Die Anlage ermöglicht mehr als zehn verschiedene hochsensitive mikroskopische und spektroskopische Analysen an ultradünnen Materialproben. Die Messgenauigkeit der eigens für das Team um Prof. Turchanin angefertigten Anlage wird u. a. dadurch erreicht, dass während der Messungen in der Anlage ein starkes Vakuum herrscht: Bei laufendem Betrieb finden sich in dem System weniger Teilchen, als im Vakuum zwischen Erde und Mond vorkommen.
Prof. Dr. Andrey Turchanin (l.) und Dr. Antony George arbeiten am »Ultra High Vacuum (UHV) Multiprobe System« im Institut für Physikalische Chemie. Die Anlage ermöglicht mehr als zehn verschiedene hochsensitive mikroskopische und spektroskopische Analysen an ultradünnen Materialproben. Die Messgenauigkeit der eigens für das Team um Prof. Turchanin angefertigten Anlage wird u. a. dadurch erreicht, dass während der Messungen in der Anlage ein starkes Vakuum herrscht: Bei laufendem Betrieb finden sich in dem System weniger Teilchen, als im Vakuum zwischen Erde und Mond vorkommen.
Foto: Jens Meyer (Universität Jena)

Nichtlineare Frequenzverdopplung

Durch die Wechselwirkung mit einem nichtlinearen Material, zum Beispiel einem Kristall mit einer bestimmten – sogenannten nicht inversionssymmetrischen – Gitterstruktur, entsteht aus Laserlicht Strahlung mit der doppelten Frequenz des eingestrahlten Lichts. Die Frequenz­verdopplung hat eine Halbierung der Wellenlänge des Lichts zur Folge. Auf diese Weise kann beispielsweise aus infraroter Strahlung eines Nd:YAG-Lasers, mit der Wellenlänge von 1.064 nm, grünes Licht der Wellenlänge 532 nm erzeugt werden. Dieses Phänomen wird u. a. in La­serpointern genutzt. Ursache sind Schwingungen von Ladungsträgern im Kristall, die durch Wechselwirkung mit intensivem Laserlicht erzeugt werden.

Die nichtlineare Frequenzverdopplung wird im Englischen als »second harmonic generation« bezeichnet und daher häufig SHG abgekürzt.