Wo Sterne geboren werden: Staub- und Gaswolke im Sternbild Carina, rund 7.500 Lichtjahre entfernt.

Auf dünnem Eis

Chemische Reaktionen an kosmischen Staubteilchen bringen Lebensbausteine hervor.
Wo Sterne geboren werden: Staub- und Gaswolke im Sternbild Carina, rund 7.500 Lichtjahre entfernt.
Foto: NASA, ESA, and M. Livio and the Hubble 20th Anniversary Team.

Der Ursprung des irdischen Lebens liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit im Weltall. Denn an eisbedeckten kosmischen Staubpartikeln können chemische Reaktionen stattfinden, durch die die Bausteine des Lebens, etwa einfache Aminosäuren, entstehen. Allerdings ist das wohl deutlich anders abgelaufen als bisher gedacht. Denn die Staubkörnchen sind nicht mit einer dicken Eisschicht überzogen, wie bisher vermutet wurde. Stattdessen ist das Eis hauchdünn und bedeckt die Stauboberfläche nur teilweise mit lockeren Verästelungen. Das hat vor kurzem ein Team der Universität Jena und des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) in Heidelberg herausgefunden. Damit laufen auch die chemischen Reaktionen an diesem kosmischen Staub anders ab als bisher vermutet.

Am Institut für Festkörperphysik der Friedrich-Schiller-Universität Jena erzeugte das Team künstliche Staubkörner unter Bedingungen, wie sie im Weltraum herrschen. Dazu trugen die Forscherinnen und Forscher mit einem Laserstrahl winzige Partikel von einer Graphitprobe ab und erzeugten auf ihnen verschiedene Arten von Eis.

Schematische Abbildung, die Staubkörner (in grau) gemischt mit Eismolekülen (in blau) zeigt, außerdem die wichtigsten äußeren Einflüsse, die für chemische Prozesse im Weltraum wichtig sind.

Abbildung: A. M. Quetz / MPIA

Kosmische Labore mit großer Reaktionsfläche

Die Oberfläche der Partikel ist wegen ihrer hohen Porosität um ein Vielhundertfaches größer als bei einfacheren Formen. Das bedeutet, dass an dieser Oberfläche auch deutlich mehr Moleküle miteinander reagieren können. »Für uns sind mit den Staubkörnern neue Mitspieler in die kosmische Astrochemie eingestiegen«, sagt Dr. Alexey Potapov vom Institut für Festkörperphysik der Universität Jena. Der Physiker ist Erstautor der Arbeit, die in der Fachzeitschrift Physical Review Letters erschienen ist. »Jetzt, wo wir um die Bedeutung der Staubkörner wissen, haben wir eine bessere Chance, die grundlegenden chemischen Reaktionen zu verstehen, die zur Entstehung des Lebens im Universum geführt haben.«

Auch die freiliegende Oberfläche der Partikel kann sich an den Reaktionen als Katalysator beteiligen. So können in diesen »kosmischen Laboren« wichtige Vorstufen von Biomolekülen – etwa Formaldehyd oder die einfache Aminosäure Glycin – häufiger entstehen, als wenn die Oberfläche vollständig aus Eis bestünde.

Kosmischer Staub aus dem Labor: Die elektronenmikroskopische Aufnahme zeigt die Oberfläche eines der künstlich erzeugten Staubkörnchen.

Abbildung: Alexey Potapov

»Mit diesen Ergebnissen läuft die Suche nach dem Ursprung komplexer Moleküle im Weltraum in eine spannende neue Richtung«, erklärt Prof. Dr. Thomas Henning. Der Professor für Astrophysik der Universität Jena ist Koautor der Arbeit und Direktor am MPIA. Er und sein Team werden diese Richtung auch in Zukunft einschlagen. »Wir haben am MPIA gerade unser neues Labor ‘Origins of Life’ eröffnet, das genau auf diese Art der Forschung zugeschnitten ist.«


Text: Marco Körner

Hinweis

Original-Publikation:

Potapov A. et al. Ice Coverage of Dust Grains in Cold Astrophysical Environments. PHYSICAL REVIEW LETTERS 124, 221103 (2020), DOI: 10.1103/PhysRevLett.124.221103Externer Link