Antikörper-Schnelltest, mit dem sich feststellen lässt, ob jemand mit dem Coronavirus infiziert war.

Ein Tropfen Blut genügt

Da Infektionen mit Sars-CoV-2 häufig völlig symptomfrei verlaufen, wissen viele Menschen gar nicht, ob sie sich bereits angesteckt hatten und inzwischen immun sind. Um diese Dunkelziffer zu erhellen, hat ein Firmenkonsortium zusammen mit Jenaer Forscherinnen und Forschern einen Antikörper-Schnelltest entwickelt, der inzwischen weltweit zum Einsatz kommt.
Antikörper-Schnelltest, mit dem sich feststellen lässt, ob jemand mit dem Coronavirus infiziert war.
Foto: Jürgen Scheere (Universität Jena)

Testen, testen, testen – das ist eine der wichtigsten Strategien im Kampf gegen das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2. Um nachzuweisen, dass sich jemand mit dem Erreger angesteckt hat, machen Mediziner einen Abstrich im Mund-, Nasen- und Rachenraum des Patienten. Befindet sich in diesen Proben Genmaterial des Virus, so lässt sich dieses im Labor durch fluoreszierende Stoffe eindeutig mittels der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) identifizieren. Doch für die Bekämpfung der Pandemie ist es nicht nur wichtig zu wissen, ob ein Mensch aktuell infiziert ist, sondern auch, ob er bereits infiziert war – und möglicherweise gegen eine weitere Ansteckung vorerst immun ist. Herausfinden lässt sich das mit sogenannten Antikörpertests. Denn wie gegen die meisten Krankheitserreger bildet das menschliche Immunsystem auch gegen das Coronavirus verschiedene Antikörper aus, die sich während und nach einer Infektion im Körper befinden und ihn gegen eine erneute Ansteckung immunisieren.

Testergebnis nach zehn Minuten

Gemeinsam mit chinesischen Kollegen und Partnern aus der Wirtschaft haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Jenaer Leibniz-Instituts für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT) bereits im zeitigen Frühjahr 2020 einen solchen Antikörper-Schnelltest entwickelt, mit dem sich innerhalb von zehn Minuten feststellen lässt, ob ein Mensch bereits mit dem Coronavirus infiziert war. »Vor allem die internationale Kooperation hat uns ermöglicht, dass wir so schnell auf die weltweiten Geschehnisse reagieren und bereits Anfang April ein verfügbares Produkt in hohen Stückzahlen präsentieren konnten«, sagt Ralf Ehricht vom Leibniz-IPHT, der auch am Institut für Physikalische Chemie der Universität Jena forscht. »So testeten etwa die chinesischen Kollegen den Schnelltest direkt in China, wo die Pandemie ihren Anfang nahm und Erfahrungen mit dem Erreger deutlich eher vorlagen.« Dank der Produktionspartner SENOVA GmbH in Weimar und SERVOPRAX in Wesel gelangte der Test, der genauso wie ein einfacher Schwangerschaftstest funktioniert, zudem sehr schnell auf unterschiedliche Märkte und wird mittlerweile international vertrieben und eingesetzt.

Der Schnelltest unterscheidet dabei sogar zwischen zwei Proteinen, die das Immunsystem als Antikörper produziert und einsetzt: Immunglobulin M (IgM), das sich bereits rund fünf bis sieben Tage nach der Infektion bildet, und Immunglobulin G (IgG), das erst nach etwa zehn Tagen entsteht. Während Ersteres also noch auf eine akute Infektion hinweist, ist Letzteres in der Regel für eine länger anhaltende Immunität verantwortlich und verweist auf eine abklingende oder bereits überstandene Krankheit. Unter Umständen kann der Test sogar eine ungefähre Information über den Zeitpunkt der Infektion angeben.

»Unser Test ist deshalb hilfreich, weil er auch die Dunkelziffer derjenigen, die bereits eine Erkrankung überstanden haben, beleuchtet. Denn viele Menschen bemerken eine Infektion mit SARS-CoV-2 gar nicht, da sie keine schweren Symptome der Covid-19-Krankheit entwickelten«, sagt Ehricht. »Gerade für Angehörige von Berufsgruppen, die in engem Kontakt mit anderen Menschen stehen – etwa im Pflegebereich –, ist es wichtig zu wissen, ob sie die Krankheit bereits hatten oder nicht.« Zudem geht man aktuell davon aus, dass sie nach erfolgreich bekämpfter Infektion das Virus nicht weiter übertragen.

»Die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen der Arbeitsgruppe von Ralf Ehricht vom Leibniz-IPHT und dem Partner aus Weimar stärkt einmal mehr den Diagnostik-Standort Jena, der sich nicht zuletzt durch eine enge Verzahnung von Wissenschaft und Praxis auszeichnet«, sagt der Lehrstuhlinhaber für Physikalische Chemie der Universität Jena und Wissenschaftliche Direktor des Leibniz-Instituts Jürgen Popp. »Unter dem Dach des Forschungscampus InfectoGnostics kooperieren seit Jahren Jenaer Forscherinnen und Forscher eng mit Partnern aus Klinik und Wirtschaft. So verbessern wir diagnostische Anwendungen durch wissenschaftliche Erkenntnisse und bringen sie als marktreife Produkte schneller zu Ärzten und Patienten.« Gerade zum Thema Coronavirus arbeiten am Leibniz-IPHT aktuell verschiedene Arbeitsgruppen mit ganz unterschiedlichen Ansätzen, um schnell weitere Innovationen mit verschiedenen optischen und spektroskopischen Methoden hervorzubringen.

Wie der Test funktioniert:

Generell reicht ein Tropfen Blut aus, um zu überprüfen, ob sich darin Antikörper gegen das Sars-CoV-2 befinden. Das Blut wird auf eine poröse Oberfläche getropft und gelangt so ins Innere des Teststreifens. Auf diesem befindet sich ein mit Gold-Nanopartikeln markiertes, mobil aufgebrachtes Nukleokapsid-Protein (N-Protein), das auch ein Bestandteil von SARS-CoV-2 ist. Die Antikörper des Patientenblutes binden an dieses N-Protein. Der so entstandene Molekül-Komplex wird in einem bestimmten Bereich des Teststreifens angereichert, wodurch eine rötliche Linie entsteht.


Text: Sebastian Hollstein