Gianni Panagiotou, Professor für Microbiome Dynamics, steht neben einem Whiteboard.

Wie uns Mikroben gesünder machen

Das Darmmikrobiom als körpereigene »Apotheke«
Gianni Panagiotou, Professor für Microbiome Dynamics, steht neben einem Whiteboard.
Foto: Anna Schroll

Genau wie Pflanzen, Gewässer und Tiere beherbergt auch der menschliche Körper ganze Gemeinschaften von winzigen Lebewesen wie Bakterien oder Pilzen, zum Beispiel im Darm. Auf deren Erforschung
spezialisiert hat sich Prof. Dr. Gianni Panagiotou. Als Teil des Exzellenzclusters »Balance of the Microverse« beschäftigen sich der Systembiologe und sein Team mit der Frage, wie die Darmflora die Entwicklung und den Verlauf von Krankheiten beeinflusst.

Text: Laura Weißert


Gianni Panagiotou und sein Team analysieren Genomdaten, die sie aus Stuhlproben gewinnen. »Das Darmmikrobiom ist deshalb so faszinierend, weil das Erbgut der Darmbakterien – anders als das menschliche Erbgut – verändert werden kann, etwa durch die Ernährung, Nahrungsergänzungsmittel oder den Lebensstil«, erklärt Panagiotou. Dazu müsse man nicht einmal unbedingt zum Arzt gehen. Eine Ernährung mit mehr Ballaststoffen und weniger Fetten, regelmäßige Bewegung – all diese Dinge wirken sich auf die Darmflora aus: »Schon nach einer Woche mit einer komplett umgestellten Ernährung kann man Veränderungen am Mikrobiom sehen.«

So ist es wenig überraschend, dass das Darmmikrobiom auch bei Krankheiten eine Rolle spielt – egal ob Diabetes, Darmkrebs oder Infektionen. Das wollen sich die Forschenden zunutze machen und Wege finden, die Gesundheit der Menschen zu verbessern, indem sie die Darmbakterien dazu bringen, ganz bestimmte Moleküle wie kurzkettige Fettsäuren, Gallensäuren oder Indolderivate zu produzieren. All diese bakteriellen Stoffwechselprodukte sind für das Darmgleichgewicht von Vorteil und können beispielsweise Entzündungen hemmen. »Das Ziel ist immer dasselbe«, so Panagiotou. »Wir wollen herausfinden, wie wir diese Gemeinschaft,
die synergetisch zusammenarbeitet, manipulieren können, damit sie das tut, was wir wollen.«

Das Team um Panagiotou analysiert an einem Bildschirm die im Darm lebenden Mikroorganismen und ihren Stoffwechsel.

Foto: Anna Schroll

Resistente Stärke wirkt präbiotisch

Ein Forschungsschwerpunkt seiner Gruppe ist das Zusammenspiel von Ernährung und Darmbakterien. Zum einen geht es darum, durch die Anpassung der Ernährung das Mikrobiom zu verändern. So konnten die Forschenden nachweisen, dass eine auf resistenter Stärke basierende Ernährungsweise eine günstige Zusammensetzung des Darmmikrobioms fördert und dadurch zahlreiche positive gesundheitliche Effekte hat. Der Ballaststoff, der unter anderem in Brot, Nudeln und Hülsenfrüchten zu finden ist, kann vom Menschen nicht verdaut werden. Stattdessen wird er zur Nahrung für die Darmbakterien und entfaltet dadurch eine präbiotische Wirkung.

In einer Studie zeigte sich, dass sich bei der Verstoffwechselung von resistenter Stärke die Menge an nützlichen Bakterien erhöht, während die Zahl der schädlichen Bakterien sinkt. So wurden beispielsweise Bacteroides stercosis, die signifikant mit den Leberenzymen korrelieren, reduziert. So kann resistente Stärke dazu beitragen, den Krankheitsverlauf der nichtalkoholischen Fettleber zu verlangsamen. Zumindest teilweise durch das Bifidobakterium B. adolescentis kann sie außerdem die Gewichtsabnahme unterstützen und die Insulinsensitivität verbessern.

Aktuell fokussieren die Forschenden sich darauf, wie Mikroben die Zusammensetzung der Ernährung verändern können. Wenn Nahrung von unseren Darmbakterien verdaut wird, verändert das ihre chemischen Bestandteile, so Panagiotou. Da die Zusammensetzung des Darmmikrobioms aber nicht bei allen Menschen gleich ist, werden Lebensmittel auch nicht von allen auf die gleiche Weise verarbeitet. So muss eine Ernährung, die allgemein als gesund gilt, nicht zwangsläufig einen positiven Effekt auf die Gesundheit eines Menschen haben. Eine entzündungshemmende Ernährung wird von gesunden Menschen und Menschen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (z. B. Morbus Crohn) unterschiedlich verarbeitet, erklärt Panagiotou.

Experimente zeigten, dass Erdbeeren, die für ihre entzündungshemmenden Eigenschaften bekannt sind, bei Mäusen mit einem normalen Darmmikrobiom viel wirksamer waren als bei keimfreien Mäusen, die keine Darmbakterien haben. »Mit diesem Projekt stellen wir das Konzept der gesunden Ernährung infrage. Denn erst in Kombination mit dem richtigen Mikrobiom kann die Ernährung die größtmögliche Wirkung entfalten.«

Darmmikrobiom beeinflusst Sepsis-Risiko

Die Forschung zielt aber nicht nur auf mögliche Therapien von Krankheiten ab, die Ergebnisse sind auch von Bedeutung für die Diagnose. Um etwa die nichtalkoholische Fettlebererkrankung zu diagnostizieren, ist eine Leberbiopsie notwendig. Die Prozedur bringt nicht nur gesundheitliche Risiken mit sich, sie ist auch teuer. Panagiotou und sein Team sequenzieren stattdessen das Darmmikrobiom von erkrankten Personen, um daran das Stadium der Krankheit zu erkennen. In Zukunft könnte also eine Stuhlprobe ausreichen, um festzustellen, ob jemand an der Krankheit leidet oder nicht.

Gemeinsam mit Prof. Dr. Michael Bauer, dem Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Jena, erforscht Panagiotous Arbeitsgruppe derzeit außerdem, welche Rolle das menschliche Mikrobiom bei einer Sepsis spielt. »Wir haben festgestellt, dass die Schwere der Sepsis von der Zusammensetzung des Mikrobioms abhängt«, sagt Panagiotou.

Durch die Analyse des Darmmikrobioms von 80 septischen Personen entdeckten die Forschenden ein Bakterium des Stammes Bacteroidota, das in Tierversuchen prophylaktisch verabreicht wurde und die Überlebensrate der Mäuse um 60 Prozent erhöhte. »Wir hoffen, dass wir in Zukunft so auch Menschen mit einem hohen Sepsis-Risiko behandeln können.«

Dass er innerhalb des Exzellenzclusters mit Forschenden aus verschiedenen Disziplinen zusammenarbeiten
kann, sieht Panagiotou als großen Vorteil. Ohne ein solches Netzwerk wäre seine Forschung gar nicht möglich, ist er überzeugt. Deshalb hofft er, dass der Microverse-Cluster auch weiterhin gefördert wird. Mit den dadurch zur Verfügung stehenden Ressourcen könnte er seine Forschung auf das nächste Level heben: »Ich bin zuversichtlich, dass wir in sieben Jahren in der Lage sein werden, das Mikrobiom in der Klinik zu verändern, um es begleitend oder sogar als Haupttherapie zur Behandlung von Menschen mit Sepsis einzusetzen.«

Kontakt:

Gianni Panagiotou, Prof. Dr.
Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (Leibniz-HKI)
Beutenbergstraße 11a
07745 Jena Google Maps – LageplanExterner Link