Dr. Diana Lindner arbeitet mit ihren Kollegen und Kolleginnen an einer Soziologie des Wassers.

Eine Soziologie des Wassers

Neue Wege im Umgang mit der knapper werdenden Ressource
Dr. Diana Lindner arbeitet mit ihren Kollegen und Kolleginnen an einer Soziologie des Wassers.
Foto: Jürgen Scheere (Universität Jena)

Wo das Wasser knapp wird, kommt es zu Konflikten. Das betrifft nicht nur Weltgegenden, die ohnehin mit Dürren und Wasserknappheit zu kämpfen haben, sondern findet auch direkt vor unserer Haustür in Thüringen statt. Forschende der Soziologie untersuchen im Wassercluster »ThWIC« den gesellschaftlichen Umgang mit der lebenswichtigen Ressource.

Text: Stephan Laudien


In Apfelstädt im Landkreis Gotha schwelt der Streit um das Wasser der Apfelstädt. So heißt ein Flüsschen, das aus der Talsperre Tambach-Dietharz kommt und nach etwa 34 Kilometern in die Gera mündet. Anrainer der Apfelstädt werfen der Talsperrenverwaltung vor, zuviel Wasser für die Erzeugung von Strom abzuleiten und damit in Kauf zu nehmen, dass der Fluss im Sommer temporär trockenfällt. Eine 
Bürgerinitiative hat sich gegründet, eine Lösung ist noch nicht gefunden. 

Vielfältige Konfliktlinien

So unschön der Streit für die Region ist, so aufschlussreich ist dieser Fall für Dr. Diana Lindner. Zeigt die Auseinandersetzung doch wie unterm Brennglas Konfliktlinien auf, die vielerorts in ähnlicher Form aufzubrechen drohen. »Dieser Streit um eine sich verringernde Ressource hat viele Facetten, die wir genauer untersuchen wollen«, sagt Diana Lindner. Die Soziologin von der Universität Jena koordiniert am Lehrstuhl von Hartmut Rosa insgesamt sechs Teilprojekte für den Thüringer Wasser-Innovationscluster »ThWIC«, die sich mit soziologischen Fragestellungen befassen. Grundlegendes Ziel sei es, eine Soziologie des Wassers zu erstellen, sagt Diana Lindner. Im Apfelstädt-Streit seien vielfältige Aspekte zu beobachten, so die Soziologin. Da würde beispielsweise um Zahlen gestritten, was Fragen des richtigen Monitorings berührt. Zudem gebe es die unterschiedlichsten Wahrnehmungen auf das Gewässer. Ein Angler sehe den Fluss mit ganz anderen Augen als beispielsweise ein Landwirt, der den Fluss nutzt, um seine Felder zu bewässern. Ein weiterer Aspekt in der Auseinandersetzung um die Ressource Wasser sei das Gefühl der Landbevölkerung, abgehängt zu werden. »Dieses Gefühl verstärkt sich zunehmend«, sagt Diana Lindner.

Bei aller Brisanz des Themas zeigt ein Blick über Ländergrenzen hinweg, dass andernorts weitaus größere Probleme zu bewältigen sind: In einem »ThWIC«-Teilprojekt erforscht Alexis Gros die Situation an den Flüssen Riachuelo und Rio de la Reconquista in Buenos Aires. Die beiden Zuflüsse des Rio de la Plata sind so hochgradig verschmutzt, dass jegliches Leben in ihnen erloschen ist. Sie gehören zu den weltweit meist verschmutzten Flüssen. »Alexis Gros wird erkunden, wie die lokale Bevölkerung damit umgeht, dass eine lebenswichtige Ressource nicht mehr zur Verfügung steht«, sagt Diana Lindner.

Bei den Thüringer Projekten wird es eher darum gehen, welche neuen Wege im Umgang mit der Ressource Wasser beschritten werden müssen. Doch sowohl in Thüringen als auch in Argentinien geht es den Soziologinnen und Soziologen darum, lokales Wissen einzuholen und nutzbar zu machen. »Wir wollen Geschichten über das Wasser schreiben und diese Geschichten auch erzählen«, sagt Diana Lindner.  Die Projekte sind gerade erst angelaufen; die Ergebnisse werden mit Spannung erwartet, sowohl in Bezug auf lokale Auseinandersetzungen als auch im globalen Maßstab. Ist die lebenswichtige Ressource Wasser doch weltweit bedroht – über alle Grenzen hinweg.