Zum 1. Februar ist der »Thüringer Wasser-Innovationscluster« (ThWIC) gestartet - ein interdisziplinärer Verbund aus Wissenschaft und Wirtschaft. Das Ziel: neue Wassertechnologien zu entwickeln und Wege für den gesellschaftlichen Umgang mit der knapper werdenden Ressource zu finden. Im Interview nimmt »ThWIC«-Sprecher Prof. Dr. Michael Stelter eine Standortbestimmung vor und erklärt, warum Jena bereits heute ein Zentrum der Wasserexpertise ist.
Interview: Ute Schönfelder
Sie haben den Innovationscluster »ThWIC« initiiert und maßgeblich gestaltet. Warum war es Ihnen wichtig, das Thema Wasser in den Fokus zu rücken?
Wir haben uns bereits seit einigen Jahren hier am Lehrstuhl auf Wasserforschung spezialisiert und einiges an Expertise aufgebaut. Mit der themenoffenen Ausschreibung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung haben wir die Chance gesehen, diese Arbeit auf ein ganz neues Niveau zu bringen und als einen interdisziplinären Forschungsschwerpunkt zu verstetigen. Dass wir unter 120 Konsortien, die eine Bewerbung für einen solchen Zukunftscluster eingereicht haben, nun zu den wenigen geförderten gehören, zeigt, dass wir mit dieser Themenwahl nicht ganz falsch lagen.
Woher rührt Ihr wissenschaftliches Interesse an Wasser?
Unter anderem von den immer deutlicher sichtbar werdenden Folgen des Klimawandels. Ich komme aus dem Erzgebirge und dort wie auch andernorts gab es in den vergangenen Jahren Starkregenereignisse und Fluten, die sehr eindrücklich gezeigt haben, was Wasser für eine Gewalt haben kann. Und auf der anderen Seite sieht man im Wald, was passiert, wenn das Wasser fehlt. Diese Dinge haben aber sicher nicht nur mir die Augen geöffnet, wie existenzbestimmend das Wasser für uns und unsere Umwelt ist.
Ich betreibe seit Jahren Forschung zu Energie- und Umwelttechnik, stets mit einem Anteil an Techniksoziologie. Dabei habe ich immer wieder festgestellt, dass es nicht unbedingt die faszinierenden technischen Lösungen sind, die im Fokus der öffentlichen Debatten stehen. Stattdessen rücken Ängste vor den Risiken neuer Techniken in den Vordergrund, die Sorge vor Verzicht und der Notwendigkeit, das eigene Verhalten zu ändern. Man konnte dies bei den erneuerbaren Energien sehr gut beobachten. Und meine Befürchtung war schon früh, dass das beim Thema Wasser angesichts von zunehmender Wasserknappheit und Klimawandel ebenso passieren könnte. Ich denke, wir können aus den Versäumnissen der Energiewende für das Wassermanagement viel lernen und vermeiden, die gleichen Fehler zu wiederholen. Wir müssen neben aller Technik auch die Gesellschaft einbeziehen, und das macht das Thema »Wasser« wissenschaftlich so interessant.
Welche Ziele verfolgen Sie im Cluster?
Wir wollen den Standort Jena zu einem Zentrum für Wasserforschung machen, aus dem relevante wirtschaftliche Produkte und Leistungen hervorgehen. Künftig soll man Jena nicht nur als Optik-Standort wahrnehmen, sondern auch als Zentrum der Wasserexpertise. Dabei setzen wir auf die einzigartige Stärke von Jena: seine Kooperationskultur. Denn neben der Universität und der Ernst-Abbe-Hochschule sind auch starke außeruniversitäre Forschungseinrichtungen wie das Fraunhofer-IKTS und das IOF sowie das Leibniz-IPHT und zahlreiche Firmen an »ThWIC« beteiligt, die zum Teil heute bereits weltweit führende Lösungen für die Wassertechnologie bereithalten. Doch bisher fehlte dafür die inhaltliche Klammer, und es fehlte die Verbindung vor allem zu den Gesellschaftswissenschaften. »ThWIC« bietet diesen Rahmen jetzt. Denn es reicht ja nicht, nur Wasserforschung zu betreiben. Wir brauchen eine Transformation auf gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene.
Wie wird das im Cluster umgesetzt?
Im Cluster gibt es 22 Einzelprojekte, die sich auf drei Zielrichtungen verteilen: Erstens wollen wir Methoden entwickeln, mit denen Mikroschadstoffe aus dem Wasser entfernt werden können, die bisher in Kläranlagen nicht erfasst werden. Und wir wollen den Zustand von Wässern in seinen Systemen, etwa in Flüssen, Seen oder Abwasserleitungen, digital und in Echtzeit messen können.
Das zweite Ziel ist die Etablierung eines Wasser-Assessments, das heißt, wir wollen Wasser neu und besser bewerten können, um politische Entscheidungen zur Wassernutzung auf eine rationale Basis zu stellen. Und drittens wollen wir moderne, digitale und klassische Tools entwickeln, um der Öffentlichkeit und der Wirtschaft aktuelle und grundlegende Herausforderungen beim Thema Wasser vertraut zu machen.
Ist das Thema Wasser außerhalb der Wissenschaft schon hinreichend auf der Agenda?
Ich glaube, wir sind jetzt gerade an einem Punkt, an dem vielen Menschen bewusst wird, dass wir uns darum kümmern müssen und an dem das Verständnis wächst, dass das Thema uns alle betrifft. Wir sehen die Trockenheit und die Folgen des Klimawandels ja direkt vor der Haustür oder die Folgen der Flutkatastrophe 2021 im Ahrtal. Wir sehen am Beispiel der Tesla Gigafactory in Brandenburg, welche Verwerfungen entstehen können, wenn wir Arbeitsplätze gegen die Ressource Wasser aufrechnen. Da besteht deutlich Handlungsbedarf. Noch können wir handeln und das sollten wir tun. Aber dazu ist es wichtig, die Situation zu erklären und die Menschen in die Lage zu versetzen, informierte Entscheidungen zu treffen. Übrigens ist beim Thema Wassersparen die Industrie oft schon weiter als die Bevölkerung.
Inwiefern?
Industrieunternehmen sind heute nicht mehr konkurrenzfähig, wenn sie nicht nachhaltig produzieren. Für Investoren wird Nachhaltigkeit immer wichtiger. Und die meisten Firmen haben beim Thema CO2-Fußabdruck ihre Lektion gelernt. Es ist für Stakeholder inzwischen entscheidend, nicht nur CO2 einzusparen, sondern auch Wasser, denn das ist eine endliche Ressource. Und gerade im Bereich der Lebensmittelindustrie, der Papierindustrie, bei der Produktion von Waschund Reinigungsmitteln wird aktuell noch sehr viel Wasser verbraucht. Da sucht man nach Möglichkeiten, die Wasserbilanz zu verbessern – aus wirtschaftlichen Erwägungen, aber auch, weil sich sonst Produkte nicht mehr verkaufen lassen.
Aber Wassersparen allein ist sicher nicht die Lösung.
Richtig. Wir können und sollten natürlich Wasser möglichst sparsam verbrauchen, so wie wir aktuell auch versuchen, Energie möglichst sparsam zu nutzen. Aber wir werden – wie beim Thema Energie - die Probleme nicht allein durch Verzicht lösen können, sondern müssen neue, nachhaltige Technologien entwickeln, die die Ressourcen schonen. In Mitteleuropa und Thüringen haben wir die Situation, dass es eigentlich nicht zu wenig Wasser gibt. Wir haben es aber teilweise zur falschen Zeit. In anderen Regionen der Welt fehlt es tatsächlich an Wasser, da braucht es technologische Lösungen und Investitionen, die Geld kosten, um etwa Meerwasser zu entsalzen. Das erfordert ganzheitliche Strategien.
Welche Impulse und Innovationen können von »ThWIC« für ein globales Wassermanagement ausgehen?
Zunächst einmal Erkenntnisgewinne. Zum Beispiel ist die Eigentumsfrage bei Wasser international ganz unterschiedlich geregelt. Es gibt Länder, in denen sind Wasserressourcen Privateigentum und werden wie geschäftliche Ressourcen behandelt. In anderen Ländern ist Wasser dagegen gemeinfrei, was oft dazu führt, dass sich niemand darum kümmert und die Wasserqualität entsprechend gering ist. In Deutschland liegen wir irgendwo in der Mitte. Und genau solche Unterschiede und Perspektiven wollen wir uns im »ThWIC« interdisziplinär anschauen und analysieren. Und wir wollen unsere Technologien, die wir hier zum Beispiel zur Wasserreinigung entwickeln, nicht nur für Mitteleuropa, sondern auch für andere Weltregionen einsetzbar machen. Eine Grundvoraussetzung dafür wird sein, dass diese ausschließlich mit erneuerbaren Energien funktionieren.
Wie gehen Sie selbst nachhaltig mit Wasser um? Und was kann jeder Einzelne im Alltag tun, um nachhaltiger zu leben?
Das zeigt ein ganz alltägliches Beispiel: Wir versuchen, nur noch Leitungswasser zu trinken. Uns ist klar geworden, welches Geschenk es ist, dass wir hier in Deutschland das Wasser ohne Bedenken direkt aus der Leitung trinken können. Das Gleiche gilt für den Kauf von Pflegeprodukten, wo ich – und das kann ich auch für meine Familie sagen – bewusster darauf achte, dass diese kein Mikroplastik enthalten. Das sind persönliche Konsumentscheidungen, die jeder und jede Einzelne treffen kann.