Ließe sich das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre einfach herausfiltern, hätte die Menschheit ein großes Problem weniger. Einen – kleinen – Schritt in diese Richtung hat eine Forschungsgruppe der Universität Jena jetzt unternommen: Das Team vom Otto-Schott-Institut für Materialforschung hat ein Glasmaterial entwickelt, das Gase präzise voneinander trennen kann.
Text: Marco Körner
Um Kohlendioxid-Moleküle aus Gasgemischen abzutrennen, braucht es Materialen mit äußerst feinen Poren. Eine Möglichkeit für ein solches »Molekül-Sieb« haben Forschende der Universität Jena in Kooperation mit der Universität Leipzig und der Universität Wien gefunden: Sie wandelten kristalline Metall-Organische Gerüstverbindungen, sogenannte Zeolithische Imidazolatgerüste, in Glas um.
Dabei gelang es dem Team um Dr. Alexander Knebel vom Otto-Schott-Institut der Universität Jena, die Poren des Materials so zu verkleinern, dass sie für bestimmte Gasmoleküle undurchlässig werden. Das berichten sie im Fachmagazin »Nature Materials«.
»Eigentlich galten diese glasartigen Materialen bislang als unporös«, erklärt Knebel. »Das Ausgangsmaterial, also die kristallinen Gerüstverbindungen, besitzen sehr klar definierte Poren und auch eine große innere Oberfläche. Daher werden sie auch als Materialien erforscht, um Gase zu speichern oder zu trennen. Genau diese definierte Struktur geht beim Schmelzen und Komprimieren jedoch verloren. Und das haben wir ausgenutzt.«
»Metall-Organische Gerüstverbindungen bestehen aus Metall-Ionen, die durch starre, organische Moleküle miteinander verbunden sind«, beschreibt der Nachwuchsgruppenleiter das Material.
Komprimierte Metall-Organische Gerüste
»In den Zwischenräumen dieser dreidimensionalen, regelmäßigen Gitter können sich Gasmoleküle leicht bewegen. Während der Glas-Prozessierung haben wir das Material komprimiert. Vereinfacht gesagt, konnten wir die Poren auf die gewünschte Größe zusammendrücken«, veranschaulicht er.
Auch wenn die Gesamtstruktur des Kristalls beim Schmelzen verschwindet – Teile des Kristalls bleiben in ihrer Struktur erhalten. »Fachlich gesprochen heißt das: Beim Übergang vom Kristall zum Glas geht die Fern-Ordnung des Materials verloren, aber die Nah-Ordnung bleibt erhalten«, erläutert Knebel.
Oksana Smirnova, Doktorandin in Knebels Team und Erstautorin der vorgelegten Arbeit, ergänzt: »Wenn wir nun dieses Material schmelzen und komprimieren, verändern sich auch die porösen Zwischenräume.« So entstehen Kanäle mit Verengungen – oder sogar auch Sackgassen – und in der Folge passen manche Gase schlicht einfach nicht mehr hindurch.
Porengröße ist tausendfach geringer als ein menschliches Haar dick
Auf diese Weise erzielten die Forschenden in dem Material Porendurchmesser von 0,27 bis 0,32 Nanometern, und zwar mit einer Genauigkeit von einem hundertstel Nanometer. »Zur Veranschaulichung: Das ist etwa zehntausendmal dünner als ein menschliches Haar und hundertmal dünner als eine DNA-Doppelhelix. Mit dieser Porengröße konnten wir beispielsweise Kohlendioxid von Ethan trennen«, erklärt Knebel. »Unser Durchbruch auf dem Gebiet ist wohl die hohe Qualität der Gläser und die präzisen Einstellbarkeit der Porenkanäle«, ordnet Knebel die Arbeit ein. Dass die Gläser dazu noch mehrere Zentimeter groß sind, demonstriere zudem die Skalierbarkeit der neuen Materialien.
Ein Ziel ihrer Arbeit sei es, so die Forschenden, eine Glas-Membran für Umweltanwendungen zu entwickeln. Denn: Kohlendioxid aus Gasen abzutrennen, sei zweifelsfrei eine der großen technologischen Herausforderungen der Gegenwart.
Original-Publikation:
Precise control over gas transporting channels, Nature Materials (2023), https://doi.org/10.1038/s41563-023-01738-3Externer Link