Chemischer Glaskolben mit einer transparenten Flüssigkeit und Lichteffekten

GPT-3 für die chemische Forschung

GPT-3, das Sprachmodell hinter dem bekannten KI-System ChatGPT, kann auch in der Chemie eingesetzt werden, um verschiedene wissenschaftliche Aufgaben zu lösen.
Chemischer Glaskolben mit einer transparenten Flüssigkeit und Lichteffekten
Illustration: Midjourney

Text: Marco Körner


GPT-3, das Sprachmodell hinter dem bekannten KI-System ChatGPT, kann auch in der Chemie eingesetzt werden, um verschiedene wissenschaftliche Aufgaben zu lösen. Das demonstrieren Forschende der École polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL), der Universität Jena sowie des Helmholtz-Instituts für Polymere in Energieanwendungen (HIPOLE) Jena. Wie das Team kürzlich in »Nature Machine Intelligence« berichtete, umgingen sie hierbei das Problem, dass es in der Chemie oftmals an den benötigten großen Datenmengen fehlt, die für das Training einer KI benötigt werden.

Kuratierte Fragen und Antworten statt großer Datenmengen

»Eines von verschiedenen Beispielen, die wir verwendet haben, sind sogenannte lichtempfindliche Schalter«, illustriert Dr. Kevin Jablonka, Erstautor der Arbeit. »Das sind Moleküle, die ihre Struktur ändern, wenn Licht einer bestimmten Wellenlänge auf sie fällt. Diese Art von Molekülen gibt es auch im menschlichen Körper: In unseren Netzhautzellen befindet sich das Molekül Rhodopsin, das auf Licht reagiert und damit letztendlich als chemischer Schalter dient, der optische Signale in Nervenimpulse umwandelt«, ergänzt er.

»Die Frage, ob und wie ein bislang unbekanntes Molekül durch Licht schaltbar ist, ist also durchaus relevant – etwa wenn es darum geht, Sensoren zu entwickeln«, fasst er zusammen. »Aber auch die Frage, ob ein Molekül in Wasser gelöst werden kann, haben wir eingebracht«, nennt Jablonka als weiteres Beispiel, »denn gerade bei pharmakologischen Wirkstoffen ist die Wasserlöslichkeit ein wichtiger Faktor, damit die gewünschte Wirkung im Körper entfaltet wird.«

Um ihr GPT-Modell so zu trainieren, dass es diese und andere Fragen beantworten kann, musste die Gruppe jedoch ein grundlegendes Problem lösen: »GPT-3 kennt den größten Teil der chemischen Fachliteratur nicht«, erklärt Jablonka. »Die Antworten, die wir von diesem Modell erhalten, beschränken sich also üblicherweise auf das, was man auch in der Wikipedia finden kann.«

Stattdessen habe die Gruppe GPT-3 mit einem Datensatz aus vergleichsweise wenigen Fragen und Antworten gezielt verbessert. »Wir haben das Modell mit Fragen gefüttert – etwa nach lichtempfindlichen schaltbaren Molekülen, zur Löslichkeit bestimmter Moleküle in Wasser und anderen chemischen Aspekten – wobei wir bei unseren ›Lehrbeispielen‹ auch die jeweils zugehörige bekannte Antwort mit angegeben haben«, führt Jablonka aus. So haben er und sein Team ein Sprachmodell erschaffen, das in der Lage ist, zu verschiedenen chemischen Problemstellungen korrekte Erkenntnisse zu liefern.

Anschließend wurde das Modell getestet. »Die wissenschaftliche Frage nach einem durch Licht schaltbaren Molekül kann etwa so aussehen«, verdeutlicht Jablonka: »Was ist die Wellenlänge des pi–pi*-Übergangs von CN1C(/N=N/ C2=CC=CC=C2)=C(C)C=C1C?« Da das Modell textbasiert ist, können keine Strukturformeln angegeben werden, erklärt er. »Aber unser GPT arbeitet gut mit den sogenannten SMILES-Codes für Moleküle, wie im oben genannten Beispiel«, sagt er. Aber auch andere Notationen erkennt es. Dazu gehören auch chemische Namen, die der sogenannten IUPAC-Nomenklatur folgen.

So einfach wie eine Literaturrecherche

In den Tests löste das Modell verschiedenste chemische Problemstellungen. Hierbei schnitt es oftmals sogar besser ab als ähnliche Modelle, die bisher in der Wissenschaft entwickelt und mit großen Datenmengen trainiert wurden. »Das Entscheidende aber ist, dass unser GPT so einfach zu bedienen ist wie eine Literaturrecherche, die für viele chemische Probleme funktioniert – etwa zu Stoffeigenschaften wie die Löslichkeit, aber auch thermodynamische und photochemische Eigenschaften wie die Lösungsenthalpie oder die Interaktion mit Licht – und natürlich das chemische Reaktionsvermögen«, ergänzt Prof. Dr. Berend Smit von der EPFL Lausanne.