Prof. Dr. Volker Michael Jänich und Viktoria Schrön gehen juristischen Fragen zum Urheberecht bei der Nutzung generativer KI-Tools nach.

Wem gehören KI-generierte Werke?

Wie generative Tools das Urheberrecht herausfordern.
Prof. Dr. Volker Michael Jänich und Viktoria Schrön gehen juristischen Fragen zum Urheberecht bei der Nutzung generativer KI-Tools nach.
Foto: Anne Günther (Universität Jena)

Der Papst im dicken Daunenmantel; Wladimir Putin kniend vor Chinas Präsident – Desinformation durch KI nimmt ganz neue Dimensionen an. Aber nicht nur gefälschte Bilder, die oftmals nicht direkt als solche erkannt werden, stellen uns vor Herausforderungen. Auch in anderen Belangen wirft der Vormarsch der KI Fragen auf – etwa, wenn es um geistiges Eigentum geht. Wem »gehören« zum Beispiel Bilder, die mit Hilfe KI-gestützter Programme erstellt werden?

Text: Laura Weißert


Prof. Dr. Volker Michael Jänich ist Inhaber des Gerd-Bucerius-Lehrstuhls für Bürgerliches Recht mit deutschem und internationalem Gewerblichen Rechtsschutz an der Universität Jena. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist das Recht des geistigen Eigentums. KI bringe durchaus neue Nuancen in seine Arbeit: »Wir sind dadurch gezwungen, unsere schon früher bestehenden Forschungsfragen nachzuschärfen und darüber nachzudenken, warum genau wir etwas schützen.«

Als geistiges Eigentum gelten beispielsweise Texte oder Bilder, die durch das Urheberrecht geschützt werden, aber auch Erfindungen oder Marken, die dem Patent- und Markenrecht unterliegen. »Das sind menschliche, geistige Schöpfungen, die wir für schutzwürdig halten«, erklärt Jänich. Urheber-, Patent- oder auch Designrechte sind Ausschließlichkeitsrechte. Das bedeutet, die ausschließliche Verwertungsbefugnis liegt bei der Urheberin, dem Erfinder oder der Designerin.

Voraussetzung für die urheberrechtliche Schutzfähigkeit ist, dass das Werk ein Mindestmaß an Individualität oder Originalität aufweist. Anders gesagt, die Persönlichkeit des Urhebers oder der Urheberin muss darin zum Ausdruck kommen. Ob im Entstehungsprozess Hilfsmittel wie beispielsweise Photoshop eingesetzt wurden, ist dabei unerheblich. Aber gilt das auch für KI?

Diese Kätzchen sind KI-generiert. Als Urheberin im juristischen Sinn gilt die KI dennoch nicht.

Illustration: DeepDream

Kann eine KI im juristischen Sinne Urheberin sein?

Ein Beispiel: Viktoria Schrön, wissenschaftliche Mitarbeiterin an Jänichs Lehrstuhl, lässt von der Software DeepDream Bilder generieren. Sie wünscht sich »ein Bild, auf dem sich zwei Katzen auf einem fremden Planeten treffen«, als Stilrichtung gibt sie Digital Art vor.

Ausgehend von diesem ursprünglichen Prompt erstellt Deep-Dream unter Nutzung eines künstlichen neuronalen Netzes ein Bild (siehe Abbildung rechts). »Der erste Versuch hat mir nicht gefallen, also habe ich die Angaben noch einmal verfeinert und so lange nachgesteuert, bis ich zufrieden war.«

Sind die von DeepDream generierten Weltraumkatzen nun urheberrechtlich schutzfähig? »Bekomme ich das Urheberrecht in meiner Funktion als Benutzerin der KI? Oder nur, wenn ich die KI auch selbst programmiert habe? Bekommt die KI das Urheberrecht oder niemand?«, fragt Schrön.

So viel vorweg: Eine KI kann weder Urheberin noch Erfinderin sein, da diese Begriffe im Urheberrecht bzw. Patentrecht – zumindest derzeit – auf den Menschen ausgerichtet sind. Es bleiben also nur zwei Optionen: Entweder das Bild ist schutzlos oder es ist schutzfähig durch den Menschen, der an seiner Entstehung mitgewirkt hat. »Hier ist die Frage, ob die Gestaltungsentscheidungen, die ich im Voraus getroffen habe, indem ich der KI einen Prompt gegeben habe, ausreichen, um die Schutzfähigkeit zu begründen«, sagt Schrön. In der Rechtswissenschaft gibt es hier aktuell noch keinen Konsens.

Viktoria Schrön hat erst kürzlich ihre Dissertation zum Thema KI und Patentrecht geschrieben. Den Unterschied zum Urheberrecht sieht sie im Grad der persönlichen Bindung. »Natürlich gibt es auch zwischen Patent und Erfinder eine Verbindung, aber für das Patentrecht ist sie nicht so entscheidend, da man an naturwissenschaftliche Gesetze gebunden ist. Demgegenüber sind im Urheberrecht der Fantasie keine Grenzen gesetzt, weshalb es hier darauf ankommt, dass der individuelle Geist zum Ausdruck kommt.« Für Schrön ist es deshalb durchaus denkbar, dass einer Person das Patentrecht für eine Erfindung zugeschrieben wird, auch wenn eine KI zum Einsatz kam.

KI-Training mit urheberrechtlich geschütztem Material

Doch die Debatte um KI und Urheberrecht hat noch eine andere Seite. Generative KI kann keine Werke aus dem Nichts erschaffen. Damit Programme wie ChatGPT Texte erstellen können, müssen sie zunächst trainiert werden. Um selbst Bilder generieren zu können, muss eine Software wie Deep-Dream erst einmal mit Bildern »gefüttert« werden. Hierfür werden auch urheberrechtlich geschützte Werke genutzt – oftmals ohne Zustimmung oder sogar ohne Kenntnis der Rechteinhabenden. Künstlerinnen oder Autoren würden von den Entwicklern generativer KI-Programme ausgebeutet, so der Vorwurf vieler Kreativer, wenn beispielsweise Buchcover von einer KI gestaltet werden, die dafür auf Werke menschlicher Grafikdesignerinnen und -designer zurückgreift.

In Deutschland erlaubt der 2021 eingeführte § 44b des Urheberrechtsgesetzes zumindest das sogenannte Text- und Data-Mining – »die automatisierte Analyse von einzelnen oder mehreren digitalen oder digitalisierten Werken, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen.« Rechteinhabende haben zwar die Möglichkeit, mit einem Nutzungsvorbehalt dem Text- und Data- Mining zu widersprechen, ob sie die Verwendung ihrer Werke damit aber tatsächlich verhindern können, ist zumindest fraglich. Rechtlich noch ungeklärt ist, ob das Training von KI-Modellen mit urheberrechtlich geschützten Werken von diesem Paragrafen gedeckt ist. Für Jänich ist die Sache jedoch klar: Er sieht das Trainieren als Urheberrechtsverletzung an. Allerdings, so räumt er ein, gebe es derzeit keinen effektiven Rechtsschutz gegen diese Praxis.

Doch es regt sich Widerstand: Als erster großer Verlag begehrt die »New York Times« gegen diese Praxis auf und hat Ende 2023 Microsoft und OpenAI verklagt. Sie sieht das Urheberrecht verletzt, weil die Unternehmen ChatGPT mit Millionen urheberrechtlich geschützter Artikel gefüttert hätten und somit auf Kosten der Zeitung Geschäfte machten. Bereits zuvor hatten namhafte Autorinnen und Autoren in den USA OpenAI verklagt, weil sie vermuten, dass die KI mit ihren Büchern trainiert wurde. Jänich und Schrön sind skeptisch, ob vergleichbare Klagen in Europa erfolgreich sein werden.

Werke zu wehren, hat beispielsweise der Axel-Springer-Verlag eine Partnerschaft mit OpenAI geschlossen. Der Verlag bekommt nun Geld dafür, dass ChatGPT auf journalistische Texte der Springer-Publikationen zurückgreifen darf.

Wie Urheberrechte im Zeitalter der KI geschützt werden können

Währenddessen arbeiten Forschende an Möglichkeiten für Künstlerinnen und Künstler, sich gegen die unautorisierte Nutzung ihrer Werke durch KI zu wehren. Mit dem kürzlich erschienenen Tool »Nightshade« etwa können einzelne Pixel eines Bildes manipuliert werden. Für das menschliche Auge ist eine solche Änderung unsichtbar, sie führt aber zu Störungen bei KI-Programmen, die ein auf diese Weise manipuliertes Bild ohne Erlaubnis nutzen. Die KI könnte dann beispielsweise eine im Weltraum schwebende Handtasche liefern, obwohl im Prompt eine im Weltraum schwebende Kuh gefordert wurde, so die »Nightshade«-Entwickler auf ihrer Website.

Klar ist: KI wird künftig in immer mehr Lebensbereiche vordringen und damit neue Fragen aufwerfen. Die Rechtswissenschaft steht bei der Beurteilung von Fragen zu KI und dem Recht des geistigen Eigentums noch ganz am Anfang. Um Antworten zu finden, braucht es neue Wege für Rechteinhabende, ihr geistiges Eigentum zu schützen. Denn eines kann KI nicht: menschliche Kreativität ersetzen.