Wissenschaftlerin, Richterin und gefragte Expertin – die Juristin und Juniorprofessorin Anika Klafki.

»Man muss sich selbst ins Spiel bringen«

Wissenschaftlerin, Richterin und gefragte Expertin – die Juristin Anika Klafki im Porträt.
Wissenschaftlerin, Richterin und gefragte Expertin – die Juristin und Juniorprofessorin Anika Klafki.
Foto: Anne Günther (Universität Jena)

Juniorprofessorin Dr. Anika Klafki ist bundesweit vielen Menschen bekannt: Als 2020 die Corona-Pandemie auch Deutschland erreichte und die Politik teils drastische Schutzmaßnahmen ergriff, erläuterte die Juristin in zahlreichen Fernsehinterviews und Diskussionsrunden deren rechtliche Spielräume und Grenzen. Inzwischen hat die WHO die Pandemie für beendet erklärt und Klafki stellt sich einer neuen verantwortungsvollen Herausforderung – als Richterin am Thüringer Verfassungsgerichtshof.

Text: Ute Schönfelder


Nachdem Anika Klafki im Herbst 2019 mit ihrem Ehemann von Hamburg nach Jena gezogen war, ging alles ganz schnell: Die Juristin hatte gerade ihre Juniorprofessur mit Tenure Track für Öffentliches Recht, insbesondere transnationales Verwaltungsrecht an der Uni Jena angetreten. Da tauchte die Nachricht über ein bislang unbekanntes Virus auf, das in China schwere Lungenerkrankungen verursachte. Auch wenn zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzusehen war, dass »SARS-CoV-2« die Welt für die kommenden drei Jahre in Atem halten würde, war Anika Klafki sofort alarmiert. Schließlich lagen gerade mehrere Jahre Forschungsarbeit zum Thema Pandemien hinter ihr. Ihr war schnell klar, was damit auf die Menschheit zukommen konnte.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Anika Klafki mit ihrer Doktorarbeit »Risiko und Recht« in der Fachwelt bereits für Aufmerksamkeit gesorgt: Für die Arbeit, in der sie sich insbesondere mit juristischen Fragen, die im Umgang mit Pandemien auftreten, befasste, hatte sie nicht nur den Promotionspreis der Bucerius Law School, an der sie promoviert wurde, erhalten. Sie war auch 2017 als eines der fünf besten juristischen Bücher des Jahres gelistet worden. »Und das, obwohl das Thema Pandemien zum damaligen Zeitpunkt noch ein absolutes Nischenthema war«, erinnert sich Klafki.

Binnen Wochen zur gefragten Expertin für Medien und Politik

Mit dem Aufziehen der Corona-Pandemie Ende 2019 rückte diese Nische jedoch ins Zentrum der Weltöffentlichkeit und Anika Klafki machte sich auch außerhalb ihres Faches als gefragte Expertin einen Namen. Binnen weniger Wochen wurde sie bundesweit zum Mediengesicht, erklärte in zahlreichen Interviews das Infektionsschutzgesetz und die rechtlichen Konsequenzen von Corona-Schutzmaßnahmen, sprach in den »Tagesthemen«, diskutierte bei Maybrit Illner und wurde als Sachverständige für den Bundestag und den Thüringer Landtag eingeladen.

Genau vier Jahre später, im November 2023, sitzen wir in ihrem Büro am Ernst-Abbe-Campus. Anika Klafki hat Kaffee gemacht. Sie spricht schnell. Sie hat nicht viel Zeit. Um 12 Uhr muss sie weg, sagt sie. Der zweijährige Sohn ist krank und kann deshalb nicht in die Kita. Sie wird ihren Ehemann ablösen, der den Vormittag über das Kind betreut.

Dass sich die mediale Aufmerksamkeit inzwischen wieder etwas gelegt hat, ist ihr ganz recht. War diese doch mit einem enormen Zeit- und Energieaufwand verbunden. Zeit und Energie, die sie jetzt für neue Aufgaben braucht. Nicht nur für ihre Familie, sondern auch für ein neues Ehrenamt, dass sie neben ihrer wissenschaftlichen Karriere ausübt: 2022 ist Anika Klafki zur Richterin des Thüringer Verfassungsgerichtshofs gewählt worden – und das mit gerade einmal 35 Jahren.

Nicht für kleine Schritte gemacht

Klafki kommt ursprünglich aus Marburg in Hessen. Während ihrer Kindheit ist die Familie oft umgezogen, ihr Vater war in der Entwicklungszusammenarbeit tätig. Die Familie hat im Ausland gelebt, in Afrika und Indien, in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn und später in Berlin. Dort hat sie auch das Abitur gemacht.

Schon während der Schulzeit wollte sie nie etwas anderes werden als Juristin. Obwohl sie anfangs gar nicht genau wusste, was ein Jurist oder eine Juristin überhaupt macht. »Dann hat mir jemand gesagt, Juristen müssten sich viel streiten und da dachte ich, OK, das kann ich richtig gut. Das ist ein guter Beruf für mich«, erinnert sie sich und lacht. Später sei es ihr vorrangig darum gegangen, einen Beruf zu wählen, bei dem es um gute Argumente zu Fragen mit gesellschaftspolitischer Relevanz geht.

Lange habe sie vor allem einen menschenrechtlichen Fokus gehabt und sich vorgestellt, eines Tages bei einer internationalen Menschenrechtsorganisation oder den Vereinten Nationen zu arbeiten. »Dann habe ich die UN von innen erlebt«, sagt Anika Klafki und schildert, wie sie von einem Praktikum in der deutschen Vertretung bei den Vereinten Nationen in New York recht desillusioniert zurückkehrte.

»Papier ist geduldig«, bringt sie ihre Erfahrung auf den Punkt. Sie fand es unbefriedigend zu erleben, wie eine Armada von sehr gut bezahlten Diplomatinnen und Diplomaten tagtäglich an Resolutionen feilt und dabei zwar um jedes einzelne Wort ringt, »diese Texte aber kaum Steuerungseffekte in der Realität haben.« Das sei zwar nicht verwunderlich, räumt sie ein, denn, wenn die ganze Welt zusammenkommt, dann sind die Schritte, auf die sich alle einigen können, eben sehr klein. Für sie persönlich sind sie aber einfach zu klein. 

Als sie einige Zeit später – das Studium hatte sie inzwischen abgeschlossen – am öffentlich-rechtlichen Lehrstuhl von Prof. Dr. Hermann Pünder an der Bucerius Law School in Hamburg eine wissenschaftliche Assistentenstelle antrat, wurde ihr recht schnell klar, wohin sie sich stattdessen beruflich weiterentwickeln wollte. »Das wissenschaftliche Arbeiten hat mir von Beginn an viel Spaß gemacht.« Am Lehrstuhl habe sie ein sehr leistungsstarkes Team gefunden, das sie selbst vielfältig gefördert und inspiriert hat.

Klafki fing an, erste eigene Veröffentlichungen zu publizieren, Konferenzen zu besuchen und Vorträge zu halten. Sie engagierte sich darüber hinaus in einem Netzwerk junger Juristinnen und Juristen – dem Verein »Junge Wissenschaft im Öffentlichen Recht e. V.« –, über dessen Portal »juwiss.de« sie regelmäßig Beiträge zu aktuellen rechtspolitischen Themen veröffentlichte.

Anika Klafki wurde nicht zufällig zur Expertin

So auch zu Beginn der Corona-Pandemie. Dass sie 2020 zur gefragten Expertin für Medien und Politik in Sachen Infektionsschutzgesetz und Lockdown-Maßnahmen wurde, sei keineswegs zufällig passiert. »Ich habe mit gezielten Blog- Posts auf mich aufmerksam gemacht.« Denn weder Journalistinnen und Journalisten, noch Parlamentarierinnen und Parlamentarier hätten die Zeit, sich erst durch dicke Bände an Fachliteratur zu arbeiten, um passende Beratung aus der Wissenschaft zu finden. »Da muss man sich schon selbst ins Spiel bringen.«

Vermutlich ebenso wenig zufällig, dennoch überraschend, kam dann eines Tages der Anruf aus der SPD-Fraktionsspitze des Thüringer Landtages, ob sie sich vorstellen könnte, für das Richteramt des Thüringer Verfassungsgerichtshofes zu kandidieren. Die Partei, in der Klafki selbst seit 2005 Mitglied ist, wollte sie als Nachfolgerin des kurz zuvor verstorbenen Verfassungsrichters Manfred Baldus nominieren. »Damit hatte ich nicht gerechnet und brauchte auch erst einmal Bedenkzeit«, sagt sie heute. Sie steckte damals mitten in ihrer Habilitation. Die Zwischenevaluation stand an, die sie bestehen muss, um als Juniorprofessorin auf eine unbefristete Professur zu gelangen und viel Engagement in Forschung und Lehre erfordert. Und nicht zuletzt war sie Mutter eines Kleinkindes.

Doch Kolleginnen und Kollegen, befreundete Personen und Familie bestärkten sie, diese Chance zu ergreifen. Klafki stellte sich zur Wahl und wurde mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit des Landtages gewählt, obwohl die sie vorschlagende Regierungskoalition über keine Mehrheit im Parlament verfügt.

Inzwischen hat Anika Klafki auch diese neue Herausforderung in ihr Arbeitspensum integriert. »Ohne meinen Mann wäre das aber nicht möglich«, unterstreicht sie. Er sei ihr eine wichtige Stütze, sowohl in beruflichen Belangen – er arbeitet ebenfalls als Richter – als auch als Partner und Vater des gemeinsamen Sohnes.

Apropos: Um ihren Sohn muss sie sich jetzt wirklich dringend kümmern. Und dann geht es wieder ganz schnell. »Ich muss los«, sagt sie freundlich und bestimmt, schnappt sich den Fahrradhelm und ist schon auf dem Weg.