Der Jenaer Schleichersee. Wie wichtig Schutz und nachhaltiger Umgang mit dem existenziellen Gut Wasser sind, wird noch häufig unterschätzt.

»Wir wollen Dialogräume schaffen«

Dr. Karsten Gäbler spricht im Interview darüber, das Thema Wasser stärker in die Öffentlichkeit zu bringen und so einen nachhaltigen Umgang mit der kostbaren Ressource zu fördern.
Der Jenaer Schleichersee. Wie wichtig Schutz und nachhaltiger Umgang mit dem existenziellen Gut Wasser sind, wird noch häufig unterschätzt.
Foto: Anne Günther (Universität Jena)

Wasser ist ein existenzielles Gut – ohne sauberes Wasser können wir nicht leben. Als gesamtgesellschaftliches Problem ist das Thema Wasserknappheit aber noch nicht im öffentlichen Diskurs verankert, auch wenn der extrem trockene Sommer 2022 vielen Menschen in Deutschland noch in Erinnerung sein dürfte. Der Thüringer Wasser-Innovationscluster »ThWIC« versucht deshalb, neben der Entwicklung neuer Wassertechnologien das Thema Wasser stärker in die Öffentlichkeit zu bringen und so einen nachhaltigen Umgang mit der kostbaren Ressource zu fördern. Wie das konkret aussehen soll und welche Rolle die künftige Nachhaltigkeitsstrategie der Universität Jena im Cluster spielt, darüber spricht Dr. Karsten Gäbler im Interview.

Interview: Laura Weißert


Was hat der Thüringer Wasser-Innovationscluster (»ThWIC«) mit der Nachhaltigkeitsstrategie der Universität Jena zu tun?

Ein zentrales Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie wird sein, die Forschungsarbeit zu den großen gesellschaftlichen Herausforderungen, die in Jena geleistet wird, noch besser zu vernetzen. Nehmen Sie zum Beispiel die Sustainable Development Goals, die die Vereinten Nationen in der Agenda 2030 festgehalten haben: Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unserer Universität tragen mit ihrer 
Forschung in der einen oder anderen Form zur Bearbeitung der 17 Ziele bei. Mit dem Wassercluster »ThWIC« schaffen wir eine neue Plattform, mit der die Verbindungen zwischen den einzelnen Zielen anhand von Wasserproblemen herausgestellt werden können. Sauberes Wasser ist nämlich nicht nur ein eigenes Nachhaltigkeitsziel, sondern hat natürlich auch mit Themen wie Ernährungssicherheit, Gesundheit, Energie oder Konsum zu tun.

Was genau bedeutet das für die Forschung im Cluster?

Hier sind die Stichworte Inter- und Transdisziplinarität ganz wichtig, die auch in der Nachhaltigkeitsstrategie stark gemacht werden. Es ist eine Binsenweisheit, dass sich die großen Probleme unserer Zeit nicht an wissenschaftliche Disziplinen halten. Im Cluster »ThWIC« versuchen wir deshalb, die in Jena sehr gut etablierte umweltchemische Wasserforschung mit soziologischer und literaturwissenschaftlicher Forschung zu Wasserthemen zusammenzubringen. Und die Informatik ist mit ganz neuen Ansätzen zum Management wasserbezogener Daten beteiligt.

Wir wollen im Cluster die Bedingungen für fachübergreifende Forschung verbessern. Interdisziplinäre Zusammenarbeit braucht mehr Zeit und erfordert ganz andere Kommunikations-Settings, weil die Beteiligten sehr unterschiedliche Zugänge zum Thema haben. Bei der Transdisziplinarität geht es darum, welchen Beitrag die Uni dazu leisten kann, dass wir als Gesellschaft diese Transformation zur Nachhaltigkeit hinbekommen. In unserem Cluster wird z. B. die Zusammenarbeit mit Unternehmen großgeschrieben, aber auch der Einbezug von Akteuren aus Politik oder Zivilgesellschaft. Diese Zusammenarbeit bringt auch ihre eigenen Herausforderungen mit sich, dafür möchten wir sensibilisieren und auch qualifizieren. Komplexe Fragen können nur gemeinsam beantwortet werden, darauf wollen wir alle Beteiligten vorbereiten und Dialogräume schaffen.

Dr. Karsten Gäbler ist Projektkoordinator im Wassercluster »ThWIC« und als Mitglied der Senats-Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit auch an der Entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie der Uni Jena beteiligt.

Foto: Jürgen Scheere (Universität Jena)

Wie fördern Sie die Interdisziplinarität in der Lehre?

Wir schaffen mit dem »ThWIC«-Zertifikat ein Angebot, mit dem Studierende ab Wintersemester 2023/24 das inter- und transdisziplinäre Arbeiten an Nachhaltigkeitsproblemen üben können. Wasser wird dabei eine Rolle spielen, aber auch andere Themen. Es geht uns vor allem darum, Studierende möglichst frühzeitig an fachübergreifendes Denken und Arbeiten heranzuführen. Wenn dabei z. B. ein Soziologie-Student und eine Umweltchemikerin in einem Seminar aufeinandertreffen, dann kann das ein durchaus herausfordernder Clash der Wissenschaftskulturen sein.

Die Unterschiede in den Herangehensweisen wahrzunehmen, genau zuzuhören und konstruktiv auf die Position des Gegenübers einzugehen, sollen die Studierenden bei uns abseits ihrer üblichen Veranstaltungen lernen können. Wir bieten dazu unter anderem Integrationsveranstaltungen an, die für alle Zertifikats-Teilnehmenden verpflichtend sind. Hier werden Fragen wie »Was heißt disziplinäre Identität?«, »Wie kann ich zwischen verschiedenen Disziplinen übersetzen?«, »Was heißt Nachhaltigkeit?« beantwortet.

Perspektivisch wollen wir daraus auch ein Weiterbildungsangebot entwickeln, das sich an Personen aus kleinen und mittelständischen Unternehmen richtet, um sie für das Wasserthema und die transdisziplinäre Zusammenarbeit zu qualifizieren. Das Ziel ist eine umfassende Lehr-Lernplattform zum Thema inter-/transdisziplinäre Wasserforschung für Nachhaltigkeit.

Die Nachhaltigkeitsstrategie sieht auch vor, die Forschung der breiten Öffentlichkeit näherzubringen oder sie sogar in die Forschung einzubeziehen. Welche Pläne gibt es hierfür im Wassercluster »ThWIC«?

Es gibt zum Beispiel ein Augmented-Reality-Projekt, das Wasser-Infrastrukturen sichtbar machen will - das kann ein erster Einstieg ins Thema sein. In einem anderen Projekt können Interessierte selbst ihren Wasserverbrauch verfolgen. Das Ziel des Projekts »Public Water Science« ist es, über Outreach-Aktivitäten das gesellschaftliche Wasserwissen zu erweitern. Wir nennen das »Water Literacy«. Wir wollen »Wassertage« an Schulen veranstalten, bei denen die jungen Menschen Experimente machen und sich mit dem Thema Wasser spielerisch auseinandersetzen können. Außerdem wird es einen mobilen Wasserpavillon geben, der zu Unternehmenstagen fahren kann, aber auch im öffentlichen Raum sichtbar sein soll, etwa zu Aktionstagen in der Stadt. Dort gibt es Informationsmaterial zum Thema Wasser, Ansprechpersonen und vielleicht in Zukunft auch interaktive Formate. Langfristig möchten wir es schaffen, nicht nur das öffentliche Bewusstsein für die Wasserproblematik zu stärken, sondern auch gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern zum Thema Wasser zu forschen.