Wasser bildet den größten Lebensraum der Erde. Diese Medusen sind jedoch nicht im Meer fotografiert worden, sondern im Phyletischen Museum der Universität Jena.

Der blaue Planet

Wasser bedeckt den überwiegenden Teil der Erdoberfläche und ist die Grundlage für das Leben.
Wasser bildet den größten Lebensraum der Erde. Diese Medusen sind jedoch nicht im Meer fotografiert worden, sondern im Phyletischen Museum der Universität Jena.
Foto: Anne Günther (Universität Jena)

Aus der Ferne des Weltalls betrachtet, leuchtet unsere Erde in tiefem Blau. Das verdankt sie dem Wasser, das den überwiegenden Teil ihrer Oberfläche bedeckt. Wasser kommt auch auf anderen Himmelskörpern, in anderen Planetensystemen und Galaxien vor, doch hier, auf unserem »blauen Planeten«, findet es sich in großer Menge in flüssigem Zustand. Diesem kosmischen Umstand verdanken wir unsere Existenz. Ohne flüssiges Wasser hätte sich das Leben, wie wir es kennen, nicht entwickeln können. Doch woher stammt das Wasser auf der Erde und was macht gerade diese außergewöhnliche chemische Verbindung zum »Elixier des Lebens«?

Text: Ute Schönfelder


Geht man dem Ursprung des Wassers im Universum nach, so muss man bis zu seinem Anfang gehen. In den ersten Sekunden nach dem Beginn des Universums kondensierten aus der sich bildenden Materie Wasserstoffatomkerne – die positiv geladenen Protonen – aus. Unmittelbar danach begannen sich Protonen, negativ geladene Elektronen und neutrale Neutronen zu den Elementen Helium, Lithium und Berryllium zu verbinden. Alle anderen, schwereren Elemente brauchten für ihre Entstehung die Mithilfe der Schwerkraft: Erst als sich Gaswolken gebildet und Materie zu Sternen verdichtet und erhitzt hatte, konnten auch schwerere Elemente entstehen.

Bis heute jedoch besteht fast die gesamte Masse des Universums aus den Gasen Wasserstoff (rund drei Viertel) und Helium (rund ein Viertel). Als dritthäufigstes Element kommt Sauerstoff vor. Da Helium ausgesprochen reaktionsträge ist, ist Wasser die chemische Verbindung der beiden häufigsten Elemente, die überhaupt miteinander reagieren können. Dass Wasser im Universum entsteht, ist also erst einmal nicht verwunderlich.

Der Weg des Wassers auf die Erde

Wie es aber auf die Erde gelangte, ist bis heute nicht sicher geklärt. Die wahrscheinlichste Möglichkeit ist, dass Wasser durch Einschläge von Asteroiden, Meteoriten und Kometen aus kalten, sonnenfernen Regionen zu uns kam und sich in der Frühphase der Erdentstehung vor rund viereinhalb Milliarden Jahren zunächst als Dampf in der Atmosphäre ansammelte. Als sich die Erde ausreichend abgekühlt hatte, regnete es ab und die entstehenden Ozeane machten die Erde zu dem, was sie bis heute ist: dem blauen Planeten. Mehr als zwei Drittel der Planetenoberfläche ist von Wasser bedeckt. Und auch die Landmassen sind zum Großteil von Wasser geformt: Flüsse schichten Sedimente um, tragen Gebirge ab und schneiden Täler ins Land.

In welchen Formen kommt Wasser auf der Erde vor? 

Das Wasser, das unseren Planeten prägt, ist ständig in Bewegung. Es verteilt sich zwischen der Erdoberfläche und der Atmosphäre, es verdunstet und kondensiert in einem stetigen Kreislauf. Auf der Erde kommt es in allen drei Aggregatzuständen vor: als Eis, als Flüssigkeit und als Dampf. Der geringste Teil, nur etwa ein tausendstel Prozent, verteilt sich als Dampf in der Atmosphäre, dort hat er aber einen enorm großen Einfluss: Wasserdampf sorgt für Niederschläge und wirkt als natürliches Treibhausgas, es hält die Temperaturschwankungen auf der Erde gering und schirmt in Form von Wolken intensive Sonneneinstrahlung ab.

Ein etwas größerer, aber mit rund zwei Prozent insgesamt ebenfalls kleiner Anteil des irdischen Wassers ist gefroren. Diese »Kryosphäre« in den Polregionen der Erde und den Gletschern hatte während der zurückliegenden Eiszeiten ein deutlich größeres Ausmaß als heute: Während der letzten Eiszeit lag der Meeresspiegel deshalb bis zu 100 Meter tiefer als heute. Das gefrorene Wasser enthält rund drei Viertel des gesamten Süßwasserreservoirs der Erde, das meiste davon befindet sich in der Antarktis, wo es einen mehrere Tausend Meter dicken und mehrere Hunderttausend Jahre alten Eisschild bildet.

Ein Boot unterwegs in der Paradise Bay in der Westantarktis. Der Eisschild an den Polen der Erde enthält einen großen Anteil des weltweiten Süßwasservorrats. Doch nur rund zwei Prozent des Wassers auf der Erde liegt in gefrorenem Zustand vor.

Foto: Christina Braun

Chemische Besonderheiten von Wasser

Trotz seiner weiten Verbreitung ist Wasser – chemisch betrachtet – eine absolute Ausnahmeerscheinung. Es verhält sich in vielen Eigenschaften anders als erwartet und anders als vergleichbare Verbindungen. Diese »Anomalie« führt beispielsweise dazu, dass Wasser in gefrorenem Zustand eine geringere Dichte aufweist als im flüssigen. Das lässt sich unter anderem daran erkennen, dass gefrorenes Eis auf flüssigem Wasser schwimmt und nicht untergeht. Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass Gewässer bei Temperaturen unter Null zuerst an der Oberfläche zufrieren und nicht am Boden. Das heißt, ohne die Anomalie des Wassers gäbe es weder Eisschollen, noch könnte man auf einem gefrorenen See Schlittschuh laufen. Vor allem aber sähe das Leben im Wasser ganz anders aus, wenn Fische, Lurche oder Pflanzen nicht am Boden eines Gewässers überwintern könnten.

Das Wassermolekül H2O ist gewinkelt und strukturell vom Tetraeder abgeleitet. Ein Tetraeder besteht aus vier gleichseitigen Dreiecken als Seitenflächen und vier Ecken, wobei sich beim Wassermolekül das Sauerstoffatom in der Mitte befindet und die vier Ecken von je zwei Wasserstoffatomen und je zwei Elektronenpaaren des Sauerstoffs besetzt sind. Diese Ladungsverteilung führt dazu, dass sich sogenannte Wasserstoffbrücken ausbilden – die einzelnen Wassermoleküle ordnen sich mit ihren jeweiligen Nachbarn zu einem Verband an. Die Wasserstoffbrücken halten die Moleküle lose zusammen und verhindern, dass sie sich in wässriger Phase völlig ungeordnet und frei bewegen. Das lässt sich beispielsweise als Oberflächenspannung beobachten: Wasser bildet bis zu einem gewissen Volumen runde Tropfen und fließt nicht einfach auseinander; kleine Insekten können auf einer Wasseroberfläche entlanglaufen und sinken nicht ein. Auch die hohe Schmelz- und Siedetemperatur von Wasser resultiert aus dieser chemischen Besonderheit. Zum Vergleich: Methan, das eine ähnliche Molekülgröße wie Wasser und ebenfalls eine tetraedrische Struktur aufweist, siedet bereits bei minus 162 °C. Der Grund: Es bildet keine Wasserstoffbrücken. 

Vollends geordnet ist Wasser in seiner festen Form, als Eiskristall. Jedes Molekül ist mit jeweils vier benachbarten Molekülen fest verbunden, wodurch ein regelmäßiges Netzwerk mit einem sechseckigen Grundmuster entsteht. Das ist auch der Grund, warum Eiskristalle - Schneeflocken zum Beispiel - so einzigartig sie in ihrer Form auch sind, immer genau sechs Zacken haben.

Und nicht zuletzt sind die Wasserstoffbrücken auch in anderen Molekülen wirksam, etwa in den großen Biomolekülen, aus denen das irdische Leben besteht. So bleiben Eiweiße in definierten Strukturen gefaltet und DNA-Stränge bilden die berühmt gewordene Doppelhelix – Wasserstoffbrücken machen so die molekularen Grundprozesse in lebenden Zellen erst möglich.

Dank seiner Wasserstoffbrücken – der Wechselwirkung der Wassermoleküle miteinander – besitzt Wasser eine hohe Oberflächenspannung. Diese zeigt sich unter anderem daran, dass Wasser Tropfen bildet.

Foto: Jan-Peter Kasper (Universität Jena)

Quelle des Lebens und der menschlichen Zivilisation

Es gibt kein Lebewesen auf der Erde, das ohne Wasser auskommt. Nicht nur ist flüssiges Wasser die Grundvoraussetzung für sämtliche Lebensvorgänge in den Zellen: Es ist Reaktionsraum, Transportmedium und Transportmittel für Nährstoffe und Stoffwechselprodukte. Es war auch die Wiege des Lebens selbst; den überwiegenden Zeitraum seit seiner Entstehung vor mehr als drei Milliarden Jahren hat das Leben ausschließlich im Wasser stattgefunden. Bis heute ist Wasser der mit Abstand größte Lebensraum auf der Erde und beherbergt Millionen von Arten.

Auch wir Menschen kommen ohne Wasser nicht aus. Es ist unser wichtigstes Lebensmittel – ohne Wasser zu trinken, können wir nur wenige Tage überleben. Wir brauchen es zum Waschen, für die Landwirtschaft, für die Industrieproduktion, zur Energiegewinnung, für Verkehrswege und vieles mehr. Die Anfänge der menschlichen Zivilisation lagen an großen Flüssen: an Euphrat und Tigris, am Nil, an Indus und Jangtse. Und bis heute haben die meisten unserer Städte einen Zugang zu einem Fluss oder einem Meer.

Dieses Foto der Erde hat die Besatzung der NASA-Mission »Apollo 17« im Jahr 1972 auf dem Weg zum Mond gemacht. Es ist als »Blue Marble« weltweit bekannt.

Foto: NASA

The »Blue Marble«

Auch wenn es von der kosmischen Außenperspektive so scheint, natürlich ist Wasser nicht wirklich blau, sondern transparent und farblos. Dass es dennoch blau erscheint, resultiert aus verschiedenen Effekten. Zum einen absorbieren seine Moleküle vor allem den langwelligen (roten) Anteil des Sonnenlichts. Wenn weißes Licht, das alle Farben des Lichtspektrums vereint, auf Wasser trifft, wird mit zunehmendem Weg, den das Licht durch das Wasser nimmt, immer mehr des Rotanteils herausgefiltert. Zum anderen wird der verbleibende Anteil des Lichts an Schwebeteilchen im Wasser diffus gestreut und zurück zur Oberfläche geworfen: Dadurch erscheint das Wasser blau.