Doktorand Kenny Jandausch beobachtet Fächerflügler bei der Paarung.

Fächerflügler kennen keinen Schmerz

Wie Insekten das Trauma der Paarung überstehen
Doktorand Kenny Jandausch beobachtet Fächerflügler bei der Paarung.
Foto: Jürgen Scheere (Universität Jena)

Wenn sich Insekten der Ordnung der Fächerflügler paaren, dann ist ihr Schicksal besiegelt: Während die Männchen ihr extrem kurzes Dasein mit einem einzigen Paarungsflug verbringen, bezahlen die Weibchen die Fortpflanzung mit dem eigenen Leben. Wie sie zumindest die traumatische Begattung überstehen, das hat ein Forschungsteam jetzt herausgefunden.

Text: Ute Schönfelder


Die Fortpflanzung der Fächerflügler ist nichts für schwache Nerven: Um die Eizellen ihrer Partnerinnen zu befruchten, verletzen die Männchen den »Hals« der Weibchen mit einem hakenförmigen Penis und injizieren die Samen direkt ins Körperinnere. Diese sogenannte traumatische Begattung ist für die Weibchen riskant. So kann die Verletzung zum Verlust von Körperflüssigkeit führen und eindringende Keime können Infektionen auslösen. Doch die Weibchen der Fächerflügler-Arten Stylops ovinae und Xenos vesparum haben sich im Laufe der Evolution an das rabiate Vorgehen ihrer Partner morphologisch gut angepasst. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forschungsteam, das an den Universitäten Jena, Kiel, Freiburg sowie am Karlsruher Institut für Technologie tätig ist und das darüber im Open-Access-Fachmagazin »PeerJ« berichtet hat.

Ein ganzes Leben versteckt im Hinterleib anderer Insekten

Fächerflügler sind weltweit verbreitet. Dass sie trotzdem fast niemand kennt, liegt sicherlich nicht nur daran, dass sie mit nur wenigen Millimetern eher klein und unscheinbar sind. Entscheidend neben der extremen Kurzlebigkeit der Männchen von nur wenigen Stunden ist wohl, dass »die Weibchen der allermeisten Fächerflügler-Arten ihr ganzes Leben als Parasiten gut versteckt im Hinterleib anderer Insekten verbringen«, erläutert PD Dr. Hans Pohl von der Universität Jena.

So lebt Stylops ovinae in der Weidensandbiene (Andrena vaga) und Xenos vesparum in Feldwespen (Arten der Gattung Polistes). Nur der etwa stecknadelkopfgroße Vorderleib schaut aus dem Wirt heraus. »Um sich überhaupt fortpflanzen zu können, müssen sich die Parasiten also etwas einfallen lassen«, so der Insekten-Experte. Da die übliche Begattungsregion am weiblichen Hinterleib für das Männchen nicht zugänglich ist, bleibt nur der vordere Körperteil des Weibchens, um das Sperma zu injizieren.

Wie das Team herausgefunden hat, sind die Weibchen der beiden untersuchten Arten ihren männlichen Artgenossen jedoch nicht schutzlos bei der traumatischen Begattung ausgeliefert. »Wir konnten zeigen, dass die Außenhülle der Weibchen von Stylops ovinae und Xenos vesparum an einer bestimmten Körperstelle zwischen Kopf und Rumpf deutlich verdickt ist. In dieser Region sticht das Männchen mit seinem Penis in das Weibchen«, erläutert Doktorand Kenny Jandausch.

Die gesamte Hülle enthält viel Resilin, ein Eiweißmolekül, das die Außenhaut besonders elastisch macht. Da die Haut an der Einstichstelle jedoch dicker ist als an anderen Stellen, ist die Verletzung dort für das Fächerflügler-Weibchen weniger gefährlich, da dadurch ein sehr effizienter Wundverschluss erfolgen kann. »Im Gegensatz zu Xenos vesparum bildet diese Stelle bei Stylops ovinae eine Art Tasche, in die das Männchen mit seinem Penis eindringt«, so Jandausch.

Breites Methodenspektrum enthüllt Begattungsmechanismus

Doch wie locken die Weibchen die Männchen nun genau an? Zum einen erst einmal ganz klassisch: »Unbegattete Weibchen senden Duftstoffe aus, die Männchen aus der Umgebung anziehen«, sagt Hans Pohl. Das konnten die Insektenforscher direkt in der Jenaer Natur beobachten. Mit einem kleinen Käfig paarungsbereiter Fächerflügler-Damen lockten die Forscher Fächerflügler-Männchen an und nahmen sie mit ins heimische Labor. Dort brachten sie Männchen und Weibchen in Petrischalen und unter Mikroskop-Beobachtung zusammen.

Sie fanden heraus, dass nicht nur Männchen der eigenen Art, sondern auch andere Stylops-Arten der Duftspur folgten, aber nur artgleiche Männchen in der Lage sind, sich mit den Weibchen zu paaren. »Unsere Hypothese ist, dass die Begattungstasche eine präzygotische Barriere darstellt, die Paarungen zwischen unterschiedlichen Arten noch vor der Befruchtung verhindert«, sagt Hans Pohl.

Eine schlechte Nachricht gibt es für die Fächerflügler-Weibchen am Ende aber doch: Nachdem das Sperma die tausenden Eizellen in ihrem Körper befruchtet hat, entwickeln sich ebenso viele winzige Larven, die wenige Wochen später lebend zur Welt kommen - ein Ereignis, das die Mutter selbst nicht überlebt.

Links: Versteckt im Hinterleib einer Weidesandbiene lebt ein Fächerflügler-Weibchen der Art Stylops ovinae. Nur der etwa stecknadelkopf-große Vorderleib (hellgelb) ragt aus dem Wirtstier heraus. Rechts: Frontalansicht eines Fächerflügler-Männchens.
Links: Versteckt im Hinterleib einer Weidesandbiene lebt ein Fächerflügler-Weibchen der Art Stylops ovinae. Nur der etwa stecknadelkopf-große Vorderleib (hellgelb) ragt aus dem Wirtstier heraus. Rechts: Frontalansicht eines Fächerflügler-Männchens.
Foto: Hans Pohl
Information

Original-Publikation:

Have female twisted-wing parasites (Insecta: Strepsiptera) evolved tolerance traits as response to traumatic penetration? PeerJ 10:e13655, DOI: 10.7717/peerj.13655 Externer Link

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