Messtand von zwei Wasserdruckmessern, sogenannten Manometern.

Was können wir uns sparen - und was nicht?

Worauf Forschende angesichts von Energie- und Klimakrise, anhaltender Corona-Pandemie und Krieg in der Ukraine verzichten, verraten sie in der Umfrage
Messtand von zwei Wasserdruckmessern, sogenannten Manometern.
Foto: Jens Meyer (Universität Jena)

Beleuchtung, Büroräume, Bonusmeilen – Worauf Forschende der Universität und ihre Teams angesichts von Energie- und Klimakrise, anhaltender Corona-Pandemie und Krieg in der Ukraine verzichten, verraten sie in der Umfrage. Aber auch, was für sie unverzichtbar ist und was sich in der Krise als überflüssig und überholt herausgestellt hat.

Umfrage: Irena Walinda

Birgitta König-Ries
Professorin für verteilte Informationssysteme

Professorin Dr. Birgitta König-Ries
Professorin Dr. Birgitta König-Ries
Foto: Jens Meyer (Universität Jena)

Nicht sparen können wir uns unsere Forschung, die Bewahrung, Erschließung und Integration FAIRer Forschungsdaten zum Ziel hat - und so zur Nachhaltigkeit von Wissenschaft beiträgt und dazu, Lösungen zur Bewältigung von Klima- und Biodiversitätskrise zu entwickeln.

Worauf wollen wir nicht verzichten? Auf einen guten Mix aus digitalen und Präsenzformaten in Forschung und Lehre: Schnelle digitale Kommunikation in der Arbeitsgruppe, aber auch persönliche Treffen; Streaming von Vorträgen bei Konferenzen, aber auch die Vernetzungsmöglichkeiten, die nur echte Treffen bieten; hybride Lehre mit viel Raum für interaktive Elemente.

Was sollten wir uns nicht sparen? Pausen. Digitale Formate verführen zu einer zu engen Taktung. Man kann nahtlos von einer Videokonferenz in die nächste wechseln. Auf der Strecke bleibt dabei Zeit, um Luft zu holen, Zeit, um Treffen vorzubereiten und Zeit, in Ruhe über etwas nachzudenken. 

Matthias Knauff
Professor für Öffentliches Recht, insbesondere Öffentliches Wirtschaftsrecht

Professor Dr. Matthias Knauff
Professor Dr. Matthias Knauff
Foto: Jan-Peter Kasper (Universität Jena)

Die sich überlagernden Krisen der Zeit gehen auch an rechtswissenschaftlicher Forschung und Lehre nicht vorbei. Themenstellungen und Dringlichkeiten verschieben sich; objektive Forschungsnotwendigkeiten überlagern mitunter individuelle und langfristig ausgerichtete wissenschaftliche Interessen. In gewissem Maße ist dies jedoch ein Charakteristikum der Rechtswissenschaft als solcher, das mit der Entwicklung der Rechtsordnung, auf die sie im Wesentlichen bezogen ist, stets untrennbar verbunden ist.

Zu hoffen ist, dass der Krisenmodus von begrenzter Dauer ist, harren doch Themen wie Klimaschutz, Digitalisierung und demografischer Wandel auch der rechtswissenschaftlichen Durchdringung. Zu begrüßen ist der digitale Schub, den Lehre, Selbstverwaltung und Tagungen erfahren haben. Dies sollten wir im Interesse von Ausbildungsqualität, Nachhaltigkeit und Zeitmanagement beibehalten. Nicht zuletzt das nicht mehr in Papierform einzureichende Formular ist im Uni-Alltag ein echter Fortschritt. Zugleich ist die besondere Qualität des persönlichen Austauschs vor Ort deutlich geworden. In Anbetracht dessen gilt weithin: Die Zukunft ist hybrid!

Malte C. Kaluza
Professor für Relativistische Laserphysik

Professor Dr. Malte C. Kaluza
Professor Dr. Malte C. Kaluza
Foto: Jens Meyer (Universität Jena)

In den Laboren, in denen wir unsere Hochleistungslaser betreiben, ist es gar nicht so einfach, Energie zu sparen. Denn für den Experimentierbetrieb brauchen wir exakt konstante Temperaturen, weshalb die Klimaanlage deutlich mehr elektrische Energie verbraucht als die Laser selbst. Einen großen Anteil am Energieverbrauch haben auch die Computer und die anderen elektronischen Geräte, die zum kontrollierten Laserbetrieb notwendig sind. Hier haben wir bereits die Effizienz verbessert, indem wir die Anzahl der Computer soweit wie möglich reduzieren. Außerdem schalten wir alle nicht benötigten Geräte konsequent ab, was auch die durch die Klimaanlage abzuführende Wärmeenergie verringert.

Jede Reduzierung der Energieverbraucher und Wärmequellen im Labor macht sich somit doppelt in der gesamten Energiebilanz bemerkbar. Auf solche Gesichtspunkte ist in der Vergangenheit in der Forschungsarbeit viel zu wenig Wert gelegt worden, die aktuelle Krise zeigt aber, dass sie ein sehr wichtiger Aspekt bei der Forschung sind und in Zukunft bleiben werden.

Kristina von Rhein
Geschäftsführerin der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät

Dr. Kristina von Rhein
Dr. Kristina von Rhein
Foto: Anne Günther (Universität Jena)

Was können wir uns sparen – und was nicht? Beide Fragen sind schwierig zu beantworten – einerseits möchten wir weder bei der Lebensqualität noch beim Wohlstand Abstriche machen. Denkt man genauer darüber nach, ist es aber genau das, was momentan von uns gefordert wird. Ich bin der Meinung, dass alle einen Beitrag leisten müssen, diesen aber auch ein Stück weit individuell ausgestalten dürfen sollten.

Auf unseren Arbeitsalltag bezogen denke ich, dass wir in erster Linie daran arbeiten müssen, unsere Prozesse effizienter und vor allem ressourcenschonender zu gestalten. Das ERP-Projekt ist ein richtiger Anfang und ich denke, dass wir da langfristig auf einem sehr guten Weg sind. 

Johannes Grave 
Professor für Neuere Kunsgeschichte

Professor Dr. Johannes Grave
Professor Dr. Johannes Grave
Foto: Anne Günther (Universität Jena)

Während Museen mit Hochdruck an Einsparungen von Energie und Klimatechnik arbeiten und Notfallpläne erstellen, kann sich die universitäre Kunstgeschichte nur jene Sparmaßnahmen zu eigen machen, die wir alle aus unserem Alltag kennen: das Drosseln der Heiztemperatur, gezielteres Lüften, das Vermeiden unnötiger Wege oder auch die vermehrte Nutzung des Homeoffice, damit statt zweier nur ein Arbeitsraum beheizt werden muss.

Woran wir nicht ohne einschneidende Verluste sparen können, hat uns die erste Zeit der Pandemie gezeigt: an persönlichem Austausch und an der direkten Begegnung mit originalen Kunstwerken, die durch Digitalisate nie vollauf ersetzt werden kann. Über die aktuelle Energiekrise hinaus wäre ein Umdenken an anderer Stelle zu erwägen. Wir sollten weniger und dafür hochwertiger publizieren und akademische Karrierewege umgestalten. Denn es droht eine Verschwendung von Lebenszeit und Chancen, wenn wir jüngere Kolleginnen und Kollegen nach der Promotion auf befristeten Stellen weiterqualifizieren, ohne auf Dauer angemessene Beschäftigungsaussichten bieten zu können.

Christopher Spehr
Professor für Kirchengeschichte

Professor Dr. Christopher Spehr
Professor Dr. Christopher Spehr
Foto: Anne Günther (Universität Jena)

Die Krisen der vergangenen Jahre haben in positiver Weise zu einer Flexibilisierung der Arbeitsformen, zum Überdenken bisheriger Arbeitsbedingungen und -strukturen sowie zu mehr Einfallsreichtum in der Unterrichtsgestaltung geführt. Durch die digitale Lehre und digitale Kommunikationsformen in Forschung und Verwaltung konnten wir eine stärkere Partizipation erreichen und Reisezeiten sowie Fahrtkosten einsparen. Zudem verstärkte sich das Bewusstsein für Nachhaltigkeit, etwa bei der Energienutzung oder beim Papierverbrauch.

Zugleich sind mir aber auch die Schwächen der Online-Formate deutlich geworden: Wenn der Strom ausfällt oder das Uni-Netzwerk zusammenbricht, kommt es zu erheblichen Einschränkungen. Wichtiger noch: Die persönliche Begegnung im universitären Alltag kann zwar durch digitale Formate ergänzt, nie aber ersetzt werden. Der kreative Austausch untereinander bedarf der direkten Begegnung, ob im Seminarraum, am Arbeitsplatz oder in der Gremiensitzung.

Holger Cartarius 
Professor für Physik und ihre Didaktik

Professor Dr. Holger Cartarius
Professor Dr. Holger Cartarius
Foto: Anne Günther (Universität Jena)

Betrachtet man den zunächst erzwungenen, dann in Teilen durchaus geschätzten Verzicht, stehen in meiner Arbeitsgruppe kurze Reisen ganz oben auf der Liste. Besprechungen bis hin zu kleinen Konferenzen lassen sich hervorragend online abhalten und so besser in den Alltag integrieren. Das hat sich als Gewinn herausgestellt, denn mit den in den Fokus gerückten technischen Möglichkeiten entstand ein standortübergreifendes Seminar, das uns ganz neue Einblicke liefert.

Auch Kooperationen in der Forschung werden einfacher, wenn man sich viel häufiger online sprechen kann und nicht nur auf Tagungen. In meiner Arbeitsgruppe mit vielen Aufgaben in der Lehre, insbesondere Laborpraktika, ist die Präsenz am Arbeitsplatz aber weiterhin unverzichtbar. In der Lehre jedoch ausschließlich auf Präsenz zu setzen, ist überholt. Es ist viel einfacher, auch diejenigen einzubeziehen, die aus guten Gründen nicht vor Ort sein können. Energie spart man am Arbeitsplatz trotzdem durch bewusstes Heizen und Lüften.

Frank Hellwig
Professor für Spezielle Botanik

Professor Dr. Frank Hellwig
Professor Dr. Frank Hellwig
Foto: Anne Günther (Universität Jena)

Die Corona-Pandemie hat uns einen ordentlichen Impuls auf dem Weg zur Digitalisierung in der Lehre gegeben. Auf der anderen Seite hatten wir bei unserer praktischen Lehre doch mit Problemen zu kämpfen, etwa in Kursen zur Pflanzenbestimmung oder bei Praktika im Gelände. Mit Blick auf Klimaschutz und Energiekrise haben wir den Anstoß dafür gegeben, die Gewächshäuser im Botanischen Garten künftig weitgehend mit erneuerbaren Energien zu beheizen. Dabei sollen Geothermie und Solarenergie genutzt werden, wodurch der CO2-Ausstoß zum größten Teil reduziert werden kann.

Der Einsatz von digitalen Kommunikationsmitteln hat außerdem viele Dienstreisen überflüssig gemacht, ebenfalls ein Beitrag zum Klimaschutz und darüber hinaus eine enorme Zeitersparnis. Allerdings wurde auch deutlich, dass es von Zeit zu Zeit einer Begegnung in Präsenz bedarf, um das Miteinander und das gegenseitige Verständnis zu pflegen. Schließlich berührt uns auch der Krieg in der Ukraine. Kooperationen mit russischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern werden nicht fortgeführt oder sind zurückgestellt.

Georg Pohnert
Professor für Analytische Chemie

Professor Dr. Georg Pohnert
Professor Dr. Georg Pohnert
Foto: Anne Günther (Universität Jena)

Mein Team arbeitet auf dem Gebiet der Mikrobiellen Kommunikation. Wir gehören zu den zahlreichen Gruppen an unserer Universität, die Themen zur Nachhaltigkeit beforschen. Aber sind unsere Forschungsaktivitäten selbst auch nachhaltig? Im Grunde muss diese Frage mit »nein« beantwortet werden. Denn: Wir verbrauchen viel Energie, um unsere analytischen Geräte laufen zu lassen, nutzen Kunststoffgefäße und Pipettenspitzen für die Kultivierung unserer Modellorganismen und wir reisen zu unseren Feldstationen und Konferenzen.

Diese Aktivitäten sind aber für eine produktive Forschung unerlässlich. Wir hinterfragen die Betriebszeiten der Geräte, überlegen, wo wir Müll vermeiden können, ohne Experimente zu gefährden und wir evaluieren gründlich, welche Reisen notwendig sind und wo es sinnvolle Alternativen gibt. Unser Verhalten im Laboralltag hat sich verändert und kritisches Hinterfragen der Ressourceneffizienz gehört jetzt mit zur Planung. Abstellen können wir den Ressourcenverbrauch allerdings nicht, wenn wir weiterhin effizient neue Erkenntnisse erhalten wollen.

Jutta Hübner
Professorin für Integrative Onkologie

Professorin Dr. Jutta Hübner
Professorin Dr. Jutta Hübner
Foto: UKJ

ENERGIE: Sparen können wir unnötigen Energieverbrauch, mit dem wir nichts Wichtiges erreichen können. Nicht sparen sollten wir an der Energie, die wir spüren, wenn wir für etwas brennen, wenn wir andere begeistern können. Begeisterung ist die beste Form erneuerbarer Energie, denn sie ist die Grundlage unserer menschlichen Existenz. WÄRME: Sparen können wir, wo wir ein oder zwei Grad verlieren dürfen, in unseren Wohnungen, vielleicht auch in Büros, aber nicht in unseren Krankenzimmern, Arztpraxen und Seniorenwohnheimen. RESSOURCEN: Sparen dürfen und müssen wir, wo Ressourcen verbraucht statt geschaffen werden, nie da, wo es um die wichtigsten menschlichen Ressourcen 
geht: um Werte, Freiheit, Würde und die Möglichkeit dem eignen Leben einen Sinn zu geben. KRAFT: Sparen müssen wir, wo Kraft nur der Zerstörung dient, nicht da, wo sie aufbaut, Menschen Schutz und Halt gibt und uns nicht machtlos erscheinen lässt.

Sparen sollten wir uns vor allem die Betonung des Negativen in der Alltagssprache und der Wissenschaftskommunikation. Stattdessen sollten wir fragen, was wir uns leisten können und was wir leisten müssen. Nämlich: die Überzeugung, dass Forschung einen wichtigen Beitrag zur Lösung heutiger und zukünftiger Probleme leistet; das Engagement in der Lehre, das junge Menschen begeistert, mit anzupacken und nicht an ihrer eigenen Zukunft zu verzweifeln; den Mut, auch wenn alle vom Schlechten reden, richtig hinzusehen und das Gute, Schöne und Richtige zu sehen und sich dafür einzusetzen.