Prof. Dr. Andreas Tünnermann ist Direktor des Instituts für Angewandte Physik der Universität Jena und Leiter des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF.

Licht als Grenzgänger

Physiker Prof. Dr. Andreas Tünnermann über die Glasfasern der Zukunft.
Prof. Dr. Andreas Tünnermann ist Direktor des Instituts für Angewandte Physik der Universität Jena und Leiter des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF.
Foto: Jens Meyer (Universität Jena)

Glasfasern spielen in der modernen Datenübertragung und Kommunikationstechnologien eine zentrale Rolle. Doch die Lichtführung in kilometerlangen und weniger als einen Millimeter dünnen Glasfasern ist keineswegs eine neue Erfindung: Schon im Altertum wurde Licht an Grenzflächen unterschiedlich stark lichtbrechender Medien geführt. Im Interview spricht Physiker Prof. Dr. Andreas Tünnermann darüber, wie eine Technologie aus dem vergangenen Jahrtausend die Datenkommunikation der Zukunft sicherer und effizienter machen kann.

Interview: Ute Schönfelder

Welche Rolle spielt Glas in heutigen Kommunikationstechnologien?

Eine ganz zentrale Rolle. Denn praktisch alle Daten werden heute per Lichtsignal übertragen. Frei von jeglicher Übertreibung lässt sich feststellen, dass ohne die Kommunikation mit Licht und die Nutzung von Glasfasern, in denen das Licht geführt wird, das Internet, so wie wir es heute kennen, nicht denkbar wäre.

Welche Vorteile bringt die Datenübermittlung per Licht?

Durch die Nutzung von Licht als Signalträger ist eine wesentlich höhere Übertragungskapazität möglich als beispielsweise in einem Kupferkabel oder im Vergleich zur Übertragung per Funkwellen. Außerdem erfolgt die Datenübertragung auch energieeffizienter in einer Glasfaser. Das liegt daran, dass eine Glasfaser das Signal wesentlich weniger dämpft als ein Kupferkabel.

Die Energieeffizienz ist heute im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik ein wichtiges Thema, insbesondere vor dem Hintergrund des enorm wachsenden Datenvolumens, das weltweit pro Jahr übertragen wird. Durch Streaming- oder Clouddienste vervielfacht sich der Datenaustausch stetig weiter, so dass heute ein signifikanter Teil des weltweiten Energiebedarfs für die Übertragung und Speicherung von Daten aufgewendet wird. Eine dringende Aufgabe ist daher, die Verluste in Übertragungssystemen weiter zu reduzieren.

Wie funktioniert die Lichtleitung in einer Glasfaser überhaupt?

Das Besondere an der Glasfaser ist, dass das Licht darin über den Mechanismus der totalen Reflexion geführt wird. Ein Material mit einem hohen Lichtbrechungsindex ist umgeben von einem Material, das einen niedrigeren Brechungsindex aufweist. Das Licht breitet sich in der Faser aus und wird an der Grenze zur Ummantelung nahezu vollständig reflektiert, also zurück in die Faser geleitet. Dadurch ist es geschützt und wechselwirkt nicht mit der Umgebung.

Dieses Phänomen ist schon seit vielen Tausend Jahren bekannt. Schon im Altertum war bekannt, dass man Licht in einem Wasserstrahl leiten kann. In dem Fall ist das Wasser das hochbrechende Material und die umgebende Luft das niedrigbrechende Material. Das Interessante daran ist, dass man so Licht in jede gewünschte Richtung leiten kann, zum Beispiel um die Ecke. Dies ist für Anwendungen in der Kommunikations-, Medizin- oder auch der Fertigungstechnik von Bedeutung, wo Licht als Informations- und Energieträger eingesetzt wird. Endoskop-Kameras sind hier ein prominentes Beispiel.

Abgeschnittener Glasstab unterhalb des heißen Faserziehofens in einer Faserziehanlage.

Foto: Jens Meyer (Universität Jena)

Wie müssen die Glasfasern beschaffen sein, um Licht optimal zu übertragen?

Generell geht es dabei darum, die Übertragung von Licht möglichst verlustarm zu gestalten. Zudem muss durch gezielte Dotierung mit Fremdatomen ein Brechzahlprofil eingestellt werden, das die Totalreflexion ermöglicht. Unterschiedliche Gläser werden zur Herstellung von Glasfasern eingesetzt, das wichtigste Material ist dabei Kieselglas: Siliziumdioxid (SiO2).

Heutige Telekommunikationsfasern sind inzwischen so optimiert, dass sie praktisch keine Verunreinigungen aufweisen und die Dämpfung des Signals in diesen Fasern nahezu auf das Material selbst, das Kieselglas zurückgeht.

Damit lassen sich Daten über mehrere hundert Kilometer leiten, ohne dass sie nachverstärkt werden müssen. Diese Verlustfreiheit ist natürlich auch von Bedeutung in der Fertigungstechnik, wo Licht als Werkzeug beispielsweise für Schneid- und Schweißanwendungen eingesetzt wird und zu hohe Dämpfungen zu einer Zerstörung der Faser führen könnten.

An welchen Fasern arbeiten Sie und Ihre Teams an der Universität Jena und im Fraunhofer IOF derzeit?

Die klassische Kieselglasfaser ist aufgrund ihres Materials inzwischen nahezu ausgereizt, was die Dämpfungsverluste angeht. Wenn wir also Fasern wollen, die noch geringere Ausbreitungsverluste aufweisen, müssen wir ganz neue Prinzipien für die Leitung von Licht realisieren, und daran arbeiten wir hier. Wir versuchen beispielsweise, das Lichtsignal in der Faser innerhalb winziger Luftröhren zu führen, die von einem Glasmantel umgeben sind. Denn die Signalverluste bei der Ausbreitung von Licht in Luft sind geringer als in Glas. Der Führungsmechanismus des Lichtes in diesen Fasern basiert dabei dann nicht mehr auf der Totalreflexion.

Ein zweiter Schwerpunkt, an dem wir arbeiten, sind Laserfasern. Wir nutzen Glasfasern also nicht nur zur Übertragung von Licht, sondern auch dazu, Licht zu erzeugen. Eine Laserfaser unterscheidet sich von einer Datenfaser. Laserfasern sind dotiert mit Selten-Erd-Materialien wie Neodym oder Ytterbium, in denen eine Lichtverstärkung erfolgt.

Inwieweit spielen Glasfasern auch eine Rolle beim Zukunftsthema Quantenkommunikation?

Der Laser selbst ist ein Ergebnis der Quantenphysik. Er basiert auf der Nutzung kollektiver Quantenphänomene. Durch die Möglichkeit, einzelne Quanten – damit auch Lichtteilchen, die Photonen – zu kontrollieren, können wir heute die Quantentechnologien nutzen, um Informationen zukunftssicher zu verschlüsseln und damit Datensicherheit generieren.

Die Kryptographie wird damit revolutioniert. Man erzeugt dabei unter Nutzung spezifischer Quanteneigenschaften sogenannte Quantenschlüssel, die Daten sehr sicher verschlüsseln, gleichzeitig kann durch die Anwendung von spezifischen Protokollen sogar sichergestellt werden, dass auch der Betreiber der Infrastruktur nicht in der Lage ist, den Schlüssel zu lesen. Sowohl der Datenschlüssel als auch die damit verschlüsselten Daten lassen sich über Glasfasern verschicken.

Allerdings müssen für Anwendungen von Glasfasern in der Quantenkommunikation die Dämpfungsverluste noch einmal wesentlich verringert werden, daher auch unsere aktuellen Forschungsarbeiten zu Glasfasern mit neuen Mechanismen der Lichtführung. Warum ist die Kontrolle der Verluste gerade in der Quantenkommunikation so wichtig? Hier spielen grundlegende physikalische Quantenphänomene eine Rolle, im Gegensatz zur klassischen Übertragung von Licht in Glasfasern kann das Signal nicht einfach verstärkt werden. Quantenzustände lassen sich nicht klonen bzw. wiederherstellen.