Glas kennen wir als durchsichtiges Material. Als Fensterscheibe ermöglicht es, dass Sonnenlicht Räume beleuchtet. Als Gefäß erlaubt es den Blick auf dessen Inhalt. Die Gläser, die das Team um Dr. René Limbach untersucht, sind jedoch ganz anders: Es sind Gläser aus undurchsichtigem Metall.
Text: Marco Körner
»Metallische Gläser sind nicht transparent«, das sagt Dr. René Limbach. Äußerlich sehen sie sogar genauso aus wie gewöhnliche Metalle: silbergrau glänzend. Das Besondere dieser Materialen, so der Ingenieur vom Otto-Schott-Institut für Materialforschung, seien ihre mechanischen Eigenschaften: Metallische Gläser sind besonders hart, fest und abriebbeständig. Das macht sie interessant für verschiedenste mechanische Anwendungen, etwa Zahnräder, Antriebswellen oder Beschichtungen. »Überall, wo es zu Reibung zwischen Bauteilen kommt, können metallische Gläser sehr gut genutzt werden und zu weniger Verschleiß führen.«
Doch was genau ist eigentlich metallisches Glas? »Damit ein Metall glasartig wird, muss es extrem schnell aus der Schmelze erstarren«, beschreibt Limbach den Herstellungsprozess. Das geschieht in sogenannten Kokillen: Hohlzylinder mit einer Doppelwand aus wärmeleitfähigem Material, wie etwa Kupfer. In der Doppelwand fließt Kühlwasser. Das verflüssigte Metall wird in den Hohlraum gegossen und erstarrt dabei schockartig. Damit die Wärme des flüssigen Metalls gut abgeführt werden kann, sind die Durchmesser der metallischen Gläser sehr gering – etwa zwei bis drei Millimeter bei Längen von bis zu fünf Zentimetern.
»Durch das schnelle Abkühlen erstarrt das Metall in der Kokille, ohne dass die Atome Zeit finden, sich regelmäßig anzuordnen«, beschreibt er, wie Metall zu Glas wird. »Besonders gut geht das mit Legierungen, deren Metallatome möglichst unterschiedliche Durchmesser haben.« Dadurch ordnen sich die Atome beim Erstarren besonders unregelmäßig an. »Es gibt dann zwar eine Nahordnung um die einzelnen Metallatome herum, aber keine Fernordnung im Materialverbund. Genau diese amorphe Struktur macht den Glaszustand aus.»
Die fehlende Fernordnung ist es auch, die metallischen Gläsern einen Nachteil beschert: Sie sind extrem spröde, weiß René Limbach. In seiner Forschung sucht er Wege, das zu ändern.
»Im kristallinen Zustand liegen die Metallatome als regelmäßiges Gitter vor. Störungen von außen können dadurch einfach durch das Gitter abgeleitet werden. Im amorphen Glaszustand geschieht das nicht. Hier bilden sich bei einer Störung sogenannte Scherbänder, die sich unkontrolliert im Material ausbreiten. Dadurch kommt es zum Bruch.«
Um diese Scherbänder zu neutralisieren, wurde bislang versucht, eine definierte Mikrostruktur etwa durch Phasentrennung oder kristalline Ausscheidungen zu erzeugen.
Einen gänzlich anderen Ansatz verfolgt Limbach in Kooperation mit Forschenden am Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden: »Hier geht es darum, das Material durch eine gezielte thermische Behandlung oder mechanische Umformprozesse so zu behandeln, dass sich noch mehr Scherbänder bilden, die sich dann aber gegenseitig aufheben.« Um das zu erreichen, erzeugt er gezielt möglichst viele Inhomogenitäten, die lokal eine geringere mechanische Stabilität aufweisen. So entstehen an unterschiedlichsten Stellen solche Scherbänder, die dann miteinander wechselwirken. Das Material wird dadurch plastisch verformbar – es dauert also länger, bis es unter Lasteinwirkung zerbricht.
Von der Kuriosität zur Funktionslegierung
»Der heilige Gral ist natürlich, das Material am Ende anwenden zu können«, erklärt der Ingenieur. »Ursprünglich waren metallische Gläser eine Art Kuriosität. Die Frage war: Lassen sich Metalle in einen Glaszustand überführen? Und die Antwort lautete: Ja, das ist möglich. Und sie haben hochinteressante mechanische Eigenschaften. Aber die hohe Sprödigkeit verhindert bisher eine breite Anwendung.« Wenn dieses Problem gelöst wird, ließe sich eine Vielzahl von Struktur- und Funktionslegierungen damit ersetzen, führt Limbach weiter aus. Zumindest in kleinem Maßstab: »Durch die Art der Herstellung haben die metallischen Gläser weiterhin sehr begrenzte Maße.«