Obsidiane am Institut für Geowissenschaften der Universität Jena.

Glas als Geobarometer

Um mehr über den Entstehungsprozess von Gesteinen zu erfahren, untersucht die Mineralogin Franziska Scheffler winzig kleine Glaseinschlüsse.
Obsidiane am Institut für Geowissenschaften der Universität Jena.
Foto: Jens Meyer (Universität Jena)

Seit Tausenden Jahren stellen Menschen Glas her. Es gibt aber auch zahlreiche natürliche Gläser, die beispielsweise durch Meteoriten- oder Blitzeinschläge entstehen. Die Mineralogin Dr. Franziska Scheffler untersucht ebenfalls natürliches Glas, das etwa dann entsteht, wenn Lava schockgefriert oder Minerale unter Druck geraten.

Interview: Laura Weißert

Porträtaufnahme von Dr. Fanziska Scheffler, Mineralogin in der Arbeitsgruppe Bioaktive Gläser am Otto-Schott-Institut für Materialforschung.

Foto: Anne Günther (Universität Jena)

Was ist vulkanisches Glas und wie entsteht es?

Vulkanisches Glas ist erstarrte Lava, die während eines Vulkanausbruchs an die Erdoberfläche kommt. Wenn Lava langsam abkühlt, wird sie zu einem Gestein, weil dann genug Zeit da ist, damit sich kleine Minerale bilden können, beispielsweise Basalt- oder Rhyolith-Gestein.

Aber wenn Lava schnell abkühlt, weil sie etwa ins Meer eruptiert, dann wird sie zu vulkanischem Glas, zum Beispiel Obsidian. Das ist ein meist tiefschwarzes Glas und wenn man es gegen das Licht hält, sieht man oft auch, dass es transparent durchschimmert. Und wenn es auf den Boden fällt, dann bricht es wie unser Fensterglas, ganz scharfkantig.

Sie befassen sich in einem Forschungsprojekt mit vulkanischem Glas. Welches Material untersuchen Sie genau?

Ich nehme mir gar nicht das klassische vulkanische Glas vor, sondern schaue mir Schmelzeinschlüsse an, das sind kleine Teile der Lava, die in Minerale eingeschlossen sind und als Glas erhalten bleiben. Diese sind auch nicht unbedingt vulkanischen Ursprungs, es können auch metamorphe Gesteine sein, an denen eine Schmelze beteiligt ist.

Wichtig ist, dass sie hohen Temperaturen und hohem Druck ausgesetzt waren, zum Beispiel Eklogit. Das ist ein Subduktionsgestein, das entsteht, wenn eine ozeanische Platte unter einer anderen tektonischen Platte abtaucht. In so einem Gestein kann es Indikatoren geben, die den hohen Druck konserviert haben, einerseits in der Mineralzusammensetzung, aber andererseits auch in diesen kleinen Glaseinschlüssen.

Was erhoffen Sie sich von Ihrer Forschung?

Ich möchte mehr über den Entstehungsprozess der Gesteine lernen. Die zu Glas erstarrte Schmelze hat durch das Mineral, das sie umgibt, die Druck- und Temperaturbedingungen konserviert, die bei der Entstehung vorherrschten. Ich will die Schmelzeinschlüsse untersuchen, um den Druck zu rekonstruieren, unter dem das Gestein entstanden ist.

Das Ziel dieser Untersuchung ist es, eine Art „Geobarometer“ zu entwickeln. Dieses kann einerseits ergänzend zu bereits gängigen Methoden eingesetzt und andererseits für Gesteine genutzt werden, deren Zusammensetzung bisher nicht geeignet war, um daraus den Druck, unter dem sie entstanden sind, zu bestimmen. Vielleicht lässt sich daraus sogar eine Methode entwickeln, um den Druck in Magmakammern zu bestimmen – das wäre ein großer Schritt für die Vulkan-Risikoforschung.

Wie gehen Sie bei der Untersuchung der Schmelzeinschlüsse vor?

Glas, das unter Druck abkühlt, zeigt veränderte Materialeigenschaften, da die chemischen Verbindungen komprimiert sind. Das können wir nutzen, indem wir zuerst das Spektrum des Einschlusses messen und dann ein Glas derselben Zusammensetzung herstellen, gezielt Drücken aussetzen und das Glas ebenfalls vermessen. Durch den Abgleich lässt sich der ursprünglich vorherrschende Druck einschätzen. Um den Einfluss von Druck experimentell zu verifizieren, nutzen wir die sogenannte Indentierung – also das Eindrücken eines Diamantstempels – und Hochdruckzell-Experimente.

Was ist für Sie das Spannende an Ihrem Forschungsgebiet?

Ich habe Mineralogie studiert und arbeite jetzt als Postdoc im Bereich Glaschemie der Materialwissenschaft. Da gibt es viele Gemeinsamkeiten, aber auch ein paar Unterschiede. Nun habe ich die Möglichkeit, meine Stärken aus der Mineralogie mit meinen neugewonnenen Kenntnissen aus der Glaswissenschaft zu verbinden. Mit Hilfe der Mineralogie kann man die kristalline feste Materie verstehen, etwa den Aufbau der Erde und ihrer Gebirge. Mineralogie prägt aber auch den technischen Fortschritt und damit unser tägliches Leben – von Halbleitertechnik bis zu den zartschmelzenden Eigenschaften, die Schokolade haben soll.

Das Spannende an der Glasforschung ist, dass ich im Labor-Ofen meine eigene Lava und daraus Glas herstellen kann. Die Eigenschaften, die das Glas dann hat, sind unter anderem durch seine Zusammensetzung geprägt. Dabei sind kaum Grenzen gesetzt und es gibt noch so viel unerforschtes Potenzial wie das Periodensystem Elemente und Elementkombinationen hat.