Pascal Ongossi Assamba

Romantik und Kolonialismus

Pascal Ongossi Assamba
Pascal Ongossi Assamba
Foto: Jens Meyer (Universität Jena)

Text: Sebastian Hollstein

Betrachtungen über scheinbar unberührte Natur – allerdings auf einem anderen Kontinent – spielt auch in einem weiteren Forschungsprojekt eine Rolle: Ursprüngliche Zuflucht vor der Zivilisation, transzendentes Idyll, verwunschenes Naturreich, von dem eine buchstäblich unheimliche Faszination ausgeht – all das sahen die Romantiker im Sehnsuchtsort Wald. Und all das spürten deutsche Forschungsreisende und Kolonisatoren auch in den tropischen Wäldern Afrikas. Sie waren beseelt von der Urwüchsigkeit der Landschaft, die ihnen beispielsweise auf dem Gebiet des heutigen Kamerun begegnete. Naturbeschreibungen in ihren Schriften spiegeln die enge Verbundenheit zu den Ideen der Romantik wider. Anhand solcher und weiterer Zusammenhänge erforscht Pascal Ongossi Assamba (Bild links) seit 2018 die Verbindungen zwischen deutscher Romantik, Kolonialismus und dem Nationalbewusstsein Kameruns.

»Die Idee, nach Afrika zu kommen und ein Kolonialreich aufzubauen, wurde stark geprägt vom Nationalismus, der während der Romantik durch die Befreiungskriege gegen Napoleon entstanden war«, erklärt der Wissenschaftler aus Kamerun. Aus diesem Nationalismus heraus, der etwa auf die Schriften romantischer Vordenker wie Johann Gottlieb Fichte zurückgeht, formten die Deutschen 1884 die Kolonie Kamerun. »Sie hatten vor, Kamerun nach dem Vorbild Deutschlands zu gründen, als starkes Land in der Mitte des Kontinents. Wobei ›gründen‹ nicht das richtige Wort ist – vielmehr haben sie Kamerun, als Idee einer Nation, erfunden«, sagt Ongossi Assamba. »Sie haben, angetrieben vom romantischen Einheitsgedanken, ein Territorium festgelegt, verschiedene Ethnien ohne Rücksicht zu einem Volk zusammengebunden, eine Verwaltung eingesetzt und durch christliche Missionierung eine nationale Seele konstruiert.«

Die Sentimentalität der Kolonisatoren, mit der sie das Leben in der Kolonie gestalteten, sei zutiefst verbunden mit romantischen Vorstellungen. Diese flossen zum einen in die Schriften der Deutschen in Afrika, etwa von ehemaligen Gouverneuren. Darin preisen sie beispielsweise die Einfachheit des Lebens und kritisieren gleichzeitig die Verwestlichung der Naturvölker. Zum anderen präsentieren einheimische Autoren in ihren Werken romantische Beschreibungen und erwähnen geschichtliche Fakten aus der Epoche der deutschen Romantik. Ein Beispiel dafür ist Jean Ikelle-Matibas Roman »Cette Afrique là!« aus dem Jahr 1963 (deutsche Übersetzung »Adler und Lilie«, 1966), in dem der Protagonist unter anderem seine Erlebnisse in einer Kolonialschule schildert. Das Werk nimmt in Ongossi Assambas Arbeit einen besonderen Stellenwert ein, da es einen Einblick ermöglicht, wie den Einheimischen der romantische Bezug auf die Natur, das Selbstbewusstsein, auf die deutsche Vergangenheit, die romantische Weltanschauung beigebracht wurde und wie sie diese Weltanschauung wahrnahmen.

Der Befreiungskampf der Kameruner gegen die französischen und britischen Kolonialherren, die nach dem Ende des Ersten Weltkriegs die Macht übernommen hatten, speiste sich unter anderem aus dem Nationalismus, den die Deutschen zuvor etabliert hatten. »Die Kameruner identifizieren sich heute mehr mit dem damals erfundenen Staat als mit den jeweiligen Ethnien, denen sie angehören«, erklärt der Germanist.
Neben dem deutschen Kolonialismus untersucht Pascal Ongossi Assamba auch eine ganz andere Strömung, die romantisches Gedankengut nach Kamerun transferierte. »Die Négritude, eine literarische und politische Bewegung, die für die kulturelle Selbstbehauptung der afrikanischen Bevölkerung eintrat, war von romantischen Ideen durchzogen«, sagt der Literaturwissenschaftler.

Einer ihrer Vorreiter, der Dichter und spätere Präsident des Senegal Léopold Sédar Senghor, war stark beeinflusst von Leo Frobenius. Der deutsche Ethnologe sah etwa eine Verwandtschaft zwischen den Deutschen und den Afrikanern der Subsahara-Region in ihrer eher sentimentalen Weltanschauung. Ein Indiz dafür: die enge Verbindung beider zum mystischen Wald.