Bernhard Bock inspiziert das konservierte Gehirn eines Primaten, bevor es in die Umzugskiste kommt.

Die gläserne Datenbank

Ein neues Zuhause für Quastenflosser, Viperfisch und Goliathfrosch – die mehr als 40 000 historische Exponate umfassende Nasssammlung des Phyletischen Museums ist umgezogen.
Bernhard Bock inspiziert das konservierte Gehirn eines Primaten, bevor es in die Umzugskiste kommt.
Foto: Jens Meyer (Universität Jena)

Text: Axel Burchardt


Alkohol kann in der Wissenschaft sehr wichtig sein – die Nasssammlung des Phyletischen Museums würde ohne ihn jedenfalls nicht existieren. In rund 10 000 Glasbehältern tauchen etwa 40 000 Tiere in Alkohol und werden so seit 1850 für die Wissenschaft erhalten. Etwa ein Drittel der Tiere wird in Formalin konserviert. Anders als in Schausammlungen sind die Exponate der Nasssammlung unbearbeitet konserviert. Sie sind nicht für die Präsentation in der Öffentlichkeit gedacht, sondern für die Nutzung in der Wissenschaft. Anhand der ausschließlich von Fachleuten auf der ganzen Welt gesammelten und datierten Tiere lassen sich zum einen Veränderungen von Arten und Populationen nachweisen – so ist beispielsweise ein Vergleich eines aktuell gefangenen Vogels mit seinem Vorfahren möglich, wenn dieser vom selben Ort stammt. Zum anderen ermöglicht die Nasssammlung Forschungen an historischen Präparaten mit dem neuesten Stand der Technik – und findet so Antworten auf Fragen, die die Wissenschaft bis dahin gar nicht hatte. Neue Methoden, etwa aus der Genetik oder der Visualisierungbildgebenden

Verfahren können an den konservierten Tieren angewendet werden, denn diese enthalten noch alle ihre Informationen. Anders als beispielsweise in der Insektensammlung des Museums, in der die Tiere getrocknet sind und Organe und damit wichtige Informationen nicht erhalten bleiben, sind die Tiere der Nasssammlung mit allen Organen und Genen vorhanden – so lassen sich etwa über Genanalysen Verwandtschaftsverhältnisse über die Jahrhunderte nachweisen. Die Nasssammlung bildet eine gläserne Datenbank mit auserlesenen historischen Exponaten für aktuelle und zukünftige Forschungen – auch wenn die Digitalisierung der Exponate erst begonnen hat.

Und wie eine Datenbank benötigte die Nasssammlung 2021 ein »Update«. Damit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sicher und bestmöglich mit den Exponaten arbeiten können, wurde ein Umzug aus dem Phyletischen Museum an einen besser geeigneten Ort notwendig. Dort lagern die Tiere nun unter optimalen Verhältnissen und die Forschenden haben mehr Platz für ihre Untersuchungen. Nach rund vier Jahren Planung waren im Sommer 2021 nicht einmal vier Wochen notwendig, um die gläserne Datenbank in ihr neues Heim zu bringen. Ein Umzug ohne Schäden, aber mit vielen neuen Erkenntnissen, da den Experten schon bei der Vorbereitung Dinge auffielen, die bislang in den langen Datenlisten zu den Exponaten nicht enthalten waren – Forschungsansätze für kommende Generationen. Eines mussten die Präparatoren nach dem Umzug allerdings tun: den Alkoholspiegel in einigen Gläsern auffüllen.

Bildergalerie:

  • Fötus eines Buckelwals (Megaptera novaeangliae). Das Tier stammt aus der Antarktis und wurde bei einer Walfangexpedition gefangen.
    Fötus eines Buckelwals (Megaptera novaeangliae). Das Tier stammt aus der Antarktis und wurde bei einer Walfangexpedition gefangen.
    Foto: Jens Meyer (Universität Jena)
  • Fötus eines Komoren-Quastenflossers (Latimeria chalumnae), präpariert aus einem Weibchen, das 1991 an der Küste von Mosambik gefangen wurde. Das Tier ist ein Geschenk des Biologen und Tierfilmers Prof. Hans W. Fricke, der unter anderem die ersten Lebendaufnahmen des Quastenflossers machte.
    Fötus eines Komoren-Quastenflossers (Latimeria chalumnae), präpariert aus einem Weibchen, das 1991 an der Küste von Mosambik gefangen wurde. Das Tier ist ein Geschenk des Biologen und Tierfilmers Prof. Hans W. Fricke, der unter anderem die ersten Lebendaufnahmen des Quastenflossers machte.
    Foto: Jens Meyer (Universität Jena)
  • Sämtliche der rund 10 000 Gläser werden in spezielle Gefahrguttransportkisten verpackt und in das neue Domizil der Sammlung in der Carl-Pulfrich-Straße überführt.
    Sämtliche der rund 10 000 Gläser werden in spezielle Gefahrguttransportkisten verpackt und in das neue Domizil der Sammlung in der Carl-Pulfrich-Straße überführt.
    Foto: Jens Meyer (Universität Jena)
  • Angekommen: Die neuen Regale werden bestückt. Hier können die wertvollen historischen Exponate für kommende Forschungsgenerationen sicher aufbewahrt werden.
    Angekommen: Die neuen Regale werden bestückt. Hier können die wertvollen historischen Exponate für kommende Forschungsgenerationen sicher aufbewahrt werden.
    Foto: Jens Meyer (Universität Jena)
  • Bevor die Gläser in die Kisten kommen, sortieren die Präparatoren Matthias Krüger (r.) und Bernhard Bock die Stücke, damit nach dem Auspacken alles seinen Platz wiederfindet.
    Bevor die Gläser in die Kisten kommen, sortieren die Präparatoren Matthias Krüger (r.) und Bernhard Bock die Stücke, damit nach dem Auspacken alles seinen Platz wiederfindet.
    Foto: Jens Meyer (Universität Jena)