Sich über Forschungsergebnisse auszutauschen, ist für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heute selbstverständlich. Die Diskussion mit der Fachcommunity sichert einerseits die Qualität der eigenen Forschung und bringt andererseits neue Ideen hervor. Warum sie darüber hinaus auch in die breite Öffentlichkeit kommunizieren und welche Resonanz sie dabei erzeugen, darüber berichten hier Forschende unserer Universität.
Umfrage: Vivien Busse
Andreas Freytag
(Professor für Wirtschaftspolitik)
Mein Fach Wirtschaftspolitik ist Teil einer Sozialwissenschaft, die jeden betrifft, zu der alle eine klare – oft von Fakten und Logik unbehelligte – Haltung haben und die immer mit der Erwartung normativer Schlussfolgerungen verbunden ist. Oft muss ich erst einmal Vorurteile gegen »die Ökonomen« ausräumen – gerade bei Kollegen aus anderen Wissenschaften! Wissenschaftskommunikation ist deshalb zentral. Ich versuche, Ergebnisse meiner und fremder ökonomischer Forschung so darzustellen, dass sie für eine breite Öffentlichkeit nachvollziehbar und damit zur Information und Meinungsbildung beitragen. Dies gelingt nur, wenn ich evidenzbasiert argumentiere, den Fachjargon vermeide und meine Position vertrete, ohne andere Sichtweisen verächtlich zu machen.
Vehikel dieser Kommunikation sind Kolumnen (Freytags-Frage), Blog-Beiträge, Gastartikel in der Tagespresse, Interviews, Vorträge und – sehr wichtig – öffentliche Streitgespräche. Am meisten Freude bereitet es mir, Skeptiker von rationalen Positionen zu überzeugen.
Jens-Christian Wagner
(Professor für Geschichte in Medien und Öffentlichkeit)
Ohne Kommunikation gibt es keine Wissenschaft. In den Wissenschaftsbetrieb hinein ist sie Grundvoraussetzung für jeden Diskurs. Nach außen ist sie die Triebfeder der sozialen, technologischen und politischen Entwicklung unserer Gesellschaft. Durch die Kopplung meiner universitären Tätigkeit mit der Arbeit in der Gedenkstätte Buchenwald wirke ich an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. Ergebnisse der Forschung werden durch die Gedenkstätte auf vielen Wegen in die Öffentlichkeit getragen: über Publikationen, mit Ausstellungen, durch Gruppenbetreuungen, durch historisch-politische Interventionen im öffentlichen Raum, mit Bildungsmaterialien oder über Social Media. Jedes Medium stellt dabei spezifische Anforderungen an zielgruppenorientierten Wissenstransfer. Die Herausforderung dabei ist, Inhalte verständlich zu vermitteln, ohne ihre Komplexität soweit zu reduzieren, dass eindimensionale Geschichtsbilder an die Stelle eines reflexiven Geschichtsbewusstseins treten.
Annika Klafki
(Juniorprofessorin für Öffentliches Recht)
Wissenschaftskommunikation ist ein kleiner, aber dennoch wichtiger Bestandteil meiner Arbeit. Indem ich meine Forschungsergebnisse in die Öffentlichkeit einbringe, habe ich die Chance, damit am demokratischen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess teilzuhaben. Gerade im Zuge der Corona-Pandemie bestand ein hoher gesellschaftlicher Informationsbedarf. Die Grundrechtsbeschränkungen zur Eindämmung der Pandemie warfen vielfältige juristische Fragen auf. Wenn ich meine Forschung öffentlich zugänglich machen möchte, publiziere ich auf wissenschaftlichen Blogs, die auch von Journalisten gelesen werden. Das führt bei Themen von medialem Interesse oft zu Presseanfragen, über die ich dann mit einer noch breiteren Öffentlichkeit in Kontakt treten kann. Die Arbeit mit Journalisten birgt jedoch gewisse Tücken. Leicht kann es passieren, dass die eigene Stellungnahme so verkürzt oder paraphrasiert wird, dass sie fehlerhaft wird. Ich bemühe mich daher um eine klare Sprache mit kurzen Sätzen ohne Fremdwörter, die wenig Raum für Missverständnisse lässt.
Christoph Grützner
(Postdoc in der AG Strukturgeologie)
Für mich ist Wissenschaftskommunikation ein wichtiger Teil meiner Arbeit. Ich erforsche starke Erdbeben und habe den Vorteil, dass dies viele Menschen interessiert. Die verheerenden Folgen von Erdbeben sind bekannt. Oft begegne ich der Erwartung, dass die Wissenschaft das »Erdbebenproblem« irgendwann lösen werde. Dann muss ich erklären, dass diese Erwartung falsch ist. Wir arbeiten daran, die Erdbebengefährdung zu verstehen, aber es ist die Aufgabe der Gesellschaft, aus diesem Wissen Handlungen abzuleiten. Deswegen begleite ich meine Arbeit in einem BlogExterner Link und auf TwitterExterner Link (und auch https://twitter.com/paleoseismicityExterner Link); ich schreibe Pressemitteilungen und gebe Interviews; ich rede mit Schülern. Die Resonanz ist fast durchweg positiv.
Oft ist es aber schwierig, die Grenzen unseres Wissens und Unsicherheiten allgemeinverständlich zu erklären. Dann kommt schon mal der Vorwurf, das sei ja alles verschwendetes Steuergeld, wenn man am Ende sowieso nichts sicher weiß.
Mathias W. Pletz
(Professor für klinische Infektiologie)
Die Pandemie zeigt gerade, dass erfolgreiche Wissenschaftskommunikation nicht weniger wichtig ist, als die Generierung wissenschaftlicher Ergebnisse an sich. Was nützen die neu entwickelten Impfungen, wenn sie nicht angenommen werden? Was nützen die Erkenntnisse zu Aerosolübertragung, wenn sie nicht umgesetzt werden?
Ich habe in den letzten zwei Jahren viel zu Wissenschaftskommunikation lernen dürfen und müssen. Es gibt für mich eine ungelöste aber entscheidende Frage: Wissenschaft lebt von »trial and error« und dem daraus resultierenden, permanenten Diskurs. Dieser Diskurs und die wissenschaftlich übliche Differenzierung zwischen Effekt- und Evidenzstärke überfordern die Gesellschaft – insbesondere, wenn weitreichend politische Entscheidungen mit Verweis auf Wissenschaft begründet werden. Bei der Kommunikation ist die journalistische Umsetzung eine maßgebliche Größe, die über Erfolg und Misserfolg von Wissenschaftskommunikation entscheidet. Ich würde mir daher einen Kodex – ähnlich dem für gute wissenschaftliche Praxis – wünschen, der für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie für Journalistinnen und Journalisten gleichermaßen gilt.
Ralph Neuhäuser
(Professor für Astrophysik)
In der Astronomie kann man mit öffentlichen Vorträgen leicht begeistern, das gilt insbesondere auch für unsere Themen wie historische Beobachtungen von Supernovae oder dem Kometen Halley als auch mit Forschungen zu Exo-Planeten oder Neutronensternen. Es sollte dabei aber nicht nur um das Präsentieren von »schönen und spannenden« Erkenntnissen gehen, sondern auch darum, all die Schwierigkeiten, die (bewussten) Vereinfachungen, die Unsicherheiten, sprich, all das Einschränkende oder auch Vorläufige, mitzuteilen. Das kann für die Interessierten durchaus etwas ernüchternd sein, z. B. wenn dabei klar wird, dass nicht jeder sog. Exo-Planet per se der wissenschaftlichen Planetendefinition folgt – geschweige denn eine »zweite Erde« ist. Die Wissenschaftsgeschichte, die viele Irrtümer und Halbwahrheiten kennt, sollte uns ermutigen zu einem offenen und mutigen Diskurs – in der Community und darüber hinaus. Und vieles, was heute Allgemeingut ist, startete als Minderheitenmeinung.
Karl-Wilhelm Niebuhr
(Professor für Theologie / Neues Testament)
Zunächst einmal müssen Wissenschaftler miteinander kommunizieren, um überhaupt etwas von ihrem Fach zu verstehen, und das ist schwierig genug. Aber für mich ist es eine gute Schule, wenn ich Themen und Probleme, auch die Attraktivität meines Faches vermitteln will. Jede Einzelwissenschaft ist heute derart komplex, dass es oft leichter ist, unter sich zu bleiben, als sich nach außen verständlich zu machen – und das ist eine große Gefahr. Wer nur noch sich selbst versteht, verliert den Blick für das Wesentliche. Daher ist Wissenschaftskommunikation für mich zuerst einmal Mittel zur Selbstkritik. Und dann ist es manchmal überraschend, wenn ich spüre, dass jemand anderes mein Fach auch interessant findet. Der Theologe spürt das wohl am stärksten beim Predigen, aber an unserer Universität jedenfalls auch häufig bei Fachdiskussionen über die Grenzen der Theologie hinaus. Und das ist dann einer der »weichen« Faktoren, die es plausibel machen, dass Theologie an der Universität getrieben wird.
Johannes Kretzschmar
(Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Angewandte Physik)
Noch vor einigen Monaten hätte ich mich wesentlich positiver und begeisterter zu Wissenschaftskommunikation geäußert. Darüber, wie sie abseits von Presse-Mitteilungen und institutionalisierter Mail-Newsletter auch nah am Rezipienten funktioniert: in Formaten wie Science Slams, Pub Quizzen, auf Twitter, YouTube oder gerne auch tanzenderweise auf TikTok – persönlich und direkt von Forschenden präsentiert, die ihr Publikum begeistern. Die anhaltende Corona-Pandemie und der Umgang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen haben mich jedoch kritischer werden lassen. Viel zu oft werden Ergebnisse politisiert und sich öffentlich äußernde Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler persönlich angefeindet. Hier zeigt sich, dass es gerade bei relevanten Themen und Zielgruppen vor allem an sicheren Räumen mangelt, in denen direkte Wissenschaftskommunikation passieren kann.
Anja Laukötter
(Professorin für Kulturgeschichte)
Wissenschaftskommunikation hat für mich eine große Bedeutung. Sie ist nicht immer einfach, bedeutet häufig einen Mehraufwand und sie »funktioniert« auch nicht immer so, wie erhofft. Dennoch ist die Vermittlung und Diskussion wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Öffentlichkeit sowie eine Beförderung der allgemeinen Akzeptanz und Sichtbarkeit von Wissenschaft ein wichtiges Ziel meiner historischen Arbeit.
In den vergangenen Jahren habe ich hierfür vielfältige und multimediale Formate ausprobiert: Dazu gehörten neben öffentlichen Vorträgen, Radio- und Zeitungsinterviews, Teilnahme an Podiumsdiskussionen auch die Veranstaltung von öffentlichen Filmreihen mit wissenschaftlichen Begleitvorträgen sowie die Initiierung von zwei Online-Projekten: das bilinguale Internetportal »Geschichte der Gefühle – Einblicke in die Forschung« sowie das Blog »Feeling News« zu gesellschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie. Meiner letzten Monographie ist zudem eine Website zugeordnet, auf der ein wichtiger Teil der im Buch besprochenen Filme abgerufen werden kann.
Die Resonanz? Im Großen und Ganzen lässt sich sagen: sie könnte größer sein. Aber ich lerne auch viel dazu und vor allem: never stop trying!
Tobias Rothmund
(Professor für Kommunikations- und Medienpsychologie)
Wissenschaftskommunikation ist keine Einbahnstraße. Es geht nicht nur darum, Erkenntnisse möglichst effektiv in die Gesellschaft zu kommunizieren. Wir lernen als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Austausch mit Menschen auch für unsere eigene Forschung. In den Sozialwissenschaften ist die Wechselseitigkeit der Kommunikation besonders augenscheinlich. Die Qualität sozialwissenschaftlicher Evidenz hängt direkt davon ab, wie gut Forscherinnen und Forscher in der Lage sind, gesellschaftliche Diskurse zu verstehen, zu bündeln und zu strukturieren. Andererseits entwickelt unsere Forschung erst im gesellschaftlichen Diskurs ihre Relevanz. Nach meinem Eindruck gewinnen soziale Medien zunehmend an Bedeutung. Sie ermöglichen die diskursive Auseinandersetzung mit Forschung zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Politik und Gesellschaft. So kann ich auf Twitter beispielsweise direkt auf eine aktuelle Studie hinweisen oder mich in einen politischen Diskurs einbringen, für den bestimmte wissenschaftliche Erkenntnisse relevant sind. Diese Form der Wissenschaftskommunikation ist proaktiv und offen und orientiert sich an der Aufmerksamkeitslogik einer mediatisierten Gesellschaft. Gleichzeitig erkennen wir hier auch die Hürden für Wissenschaftskommunikation: Fehlende zeitliche Ressourcen, politisch motivierte Wissenschaftskritik und Empörungsdynamiken lassen einen rationalen Diskurs häufig nicht gelingen. Ich gehe dennoch davon aus, dass soziale Medien für die Zukunft der Wissenschaftskommunikation eine zentrale Rolle spielen werden.